Geklont
leicht überzeugen.
Sie seufzte. »Es regt mich schon auf«, sagte sie. »Aber ich bin froh, daß ich's weiß. Ich muß darüber nachdenken, Onkel Giraud.«
Er sah sie einen Moment lang an, dann griff er in seine Tasche und holte ein kleines Päckchen heraus, streckte die Hand aus und legte es auf ihre Seite des Tisches.
»Was ist das denn?«
Giraud zuckte die Achseln. »Auf dieser Reise sind wir ja leider nicht zum Einkäufen gekommen«, erwiderte er. »Aber mir ist eingefallen, daß ich dieses kleine Ding in einem bestimmten Laden gesehen habe. Ich hab's vom Sicherheitsdienst holen lassen. Sie hatten's noch nicht verkauft.«
Sie war verblüfft, hob es auf, wickelte es aus und öffnete die Schatulle. Es war eine Anstecknadel mit in Gold gefaßten Topasen in jeder Tönung. »Oh«, machte sie. »Oh!«
»Zu Aris Nachlaß gehört soviel Schmuck«, erklärte Giraud und stand auf, um zu seinem eigenen Platz hinten zurückzugehen. »Da dachte ich mir, du solltest auch etwas haben, was dir ganz allein gehört.«
»Danke sehr, Onkel Giraud.« Das warf sie völlig aus dem Gleichgewicht.
Um so mehr, als sie zu ihm aufblickte. So wie durchs Fenster das Licht auf ihn fiel, sah seine Haut einen Moment lang pergamentartig und alt aus; er ging vorbei, legte eine Hand auf ihren Arm, und auf seinem Handrücken zeigten sich tiefe Falten. Natürlich war er alt.
Etwas, was dir ganz allein gehört. Es hallte in ihrem Kopf und erschien ihr in diesen Minuten so wichtig, daß sie immer wieder darüber nachdachte, sooft sie die Nadel drehte, um jede Facette einzeln dem Licht zuzuwenden - sie fragte sich, ob Giraud sie bloß bearbeitet hatte, oder ob ihr Onkel einfach diese gewisse Vorliebe für junge Mädchen hatte, oder ob sie ihn vielleicht - an einer einzigen Stelle weichgemacht hatte, als sie noch kleiner war, und diese Schwäche sich ausweitete, je größer sie wurde, bis ihm schließlich tatsächlich solche Gedanken kamen. Nach all den abstoßenden Dingen, die er bis dahin getan hatte.
Er hatte sie jedenfalls ganz schön erwischt, das stand fest.
Etwas, das wirklich ihr gehörte. Eigentlich traf das nur auf sehr wenige Dinge zu.
»Was ist es, Sera?« fragte Florian; und nachdem er es sich angesehen hatte: »Es ist hübsch.«
»Schön«, pflichtete Catlin ihm bei, als sie ihren Platz neben ihr einnahm, und streckte eine Hand aus, um sie zu berühren.
Natürlich gehörten ihr die beiden auch. Ari und Ari verschwammen miteinander, trennten sich und verschmolzen wieder, was ihr heute kaum noch unangenehm war. Ari senior hatte sich in ihrem Leben eine Menge Ärger eingehandelt, aber das machte nichts. Ari mochte ihre Feinde auch nicht. Sie hatten Ari senior ermordet, und jetzt konnte sie sich ohne den Sicherheitsdienst nicht mehr hinauswagen und mußte sich von anderen Flugzeugen begleiten lassen, nur um sicherzugehen, daß sie auch zu Hause ankam, in Aris Bett landete, Aris Komfort genoß, in Aris Reseune lebte, all das.
Sie war zu dem Schluß gekommen, daß es ihr nichts ausmachte, Ari zu sein. Es war nicht schlecht. Wenn auch ein bißchen seltsam. Sie war oft etwas einsam, aber das war nicht so schlimm, es gab genug Leute, die dafür sorgten, daß sie sich nicht zu einsam fühlte. Sie mußte sich über viele Dinge auf dem laufenden halten, aber sie fand es nie langweilig. Sie hätte nicht gern in Maddys oder 'Stasis Haut gesteckt, nicht einmal in Amys - wenn auch am ehesten in ihrer, aber es gefiel ihr besser, Ari zu sein, und nach Novgorod zu reisen und Florian und Catlin bei sich zu haben - vor allem das durfte sie nicht vergessen. Amy leistete niemand Gesellschaft. Bloß ihre Mama und deren Personal, mit denen es keinen Spaß machte.
Jane zu sein, wäre ganz gut gewesen. Ganz plötzlich fiel ihr Ollie ein, was ihr weh tat, weil er nie geschrieben hatte; aber das war nicht seine Art. Er war, wenn nötig, ungeheuer korrekt.
Vielleicht war er nicht einmal mehr am Leben. Leute konnten auf Fargone sterben, und es dauerte lang, bis man davon erfuhr.
Sie legte die Nadel in die Schatulle zurück. »Verstaut das in meinem Handgepäck, ja?« bat sie Florian. »Ich möchte nicht, daß es verlorengeht.« Bei nächster Gelegenheit würde sie die an einer Stelle tragen, wo Giraud sie sehen konnte. Das würde ihm gefallen.
»Sind Sie müde, Sera?« fragte Catlin. »Möchten Sie, daß wir das Licht ausmachen?«
»Nein, mir geht's gut.« Aber sie tastete nach der Reisedecke, schlang sie um sich und lauschte dem Dröhnen der
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