Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geklont

Geklont

Titel: Geklont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
wollte eine Garantie dafür, daß Jordan das Psychogenese-Projekt nicht sabotierte. Es sah aus, als würde es nur ein paar Jahre dauern. Dann sagte sie, sie würde meine Versetzung genehmigen, um ihn zu begleiten. Wahrscheinlich hätte sie das auch getan. Normalerweise hielt sie ihre Versprechen.«
    Allmählich begannen die Ratsmitglieder sich zu beraten. Sie wußten es, dachte Justin. Sie wußten es, der ganze verdammte Ausschuß - selbst Corain ... Mein Gott, sie haben es all die Jahre gewußt, alle im Rat und im Amt ... Die Sache zwischen mir und Ari war kein Geheimnis. Aber etwas von dem, was ich gesagt habe, wußten sie nicht.
    Gott! In was bin ich da hineingeraten? Welche Vereinbarungen hat Giraud getroffen, womit habe ich es hier zu tun?
    »Sie wollten die sexuelle Beziehung geheimhalten«, sagte Wells. »Wie lang ging das so weiter?«
    »Ein paar Mal.«
    »Wo?«
    »In ihrem Büro. Und in ihrem Apartment.«
    »Wer hat damit angefangen?«
    »Sie.« Er spürte die Hitze in seinem Gesicht und stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab. »Darf ich etwas sagen, Ser? Ich bin fest davon überzeugt, daß der Sex nur ein Mittel zum Zweck war - um mich schuldig genug zu machen, um einen Keil zwischen mich und meinen Vater zu treiben. Es ging nicht bloß um diese Treffen selbst. Sondern um die Beziehung zwischen ihr und meinem Vater. Ich bin ein PR, Ser. Und sie war meinem Vater nicht freundlich gesinnt. Ich glaubte, ich könnte mit dem Schuldgefühl fertig werden. Ich dachte, es würde mich nicht stören. Nach den Vorkommnissen sah es ganz anders aus; und sie war eine meisterhafte Klinikerin - sie hatte vollkommen unter Kontrolle, was vor sich ging, und ich war ein Student, der seine Grenzen weit überschritten hatte. In dieser Hinsicht hätte mein Vater mich verstanden, was ich zu dieser Zeit nicht konnte. Ich wollte verhindern, daß er es herausfand. Aber er hat's doch erfahren.«
    Aus dem Flux heraus schoß ihm ein Gedanke mit absoluter Gewißheit durch den Kopf: Er hat's nicht getan. Er konnte niemanden umbringen. Er hätte sich um mich Sorgen gemacht. Er hätte die Situation mit mir zu bereinigen versucht, bevor er etwas getan hätte - und ich kann ihm das nicht sagen ... - doch einen Moment später überlegte er es sich anders: jeder kann unter dem entsprechenden Druck alles tun. Falls das für ihn der entsprechende Druck war, der Moment, indem er's nicht mehr aushalten konnte ...
    »Hat Ihr Vater Sie mit seiner Entdeckung konfrontiert?« fragte Lynch.
    »Nein. Er ist gleich zu ihr gegangen. Ich hatte mich später am Abend mit Ari verabredet. Ich wußte nicht, daß sie tot war, bis man es mir sagte, nachdem ich inhaftiert worden war.«
    Dann - auf einmal - schnappte das Stück, das sich einzupassen versucht hatte, ganz klar und deutlich ein, genau an der Stelle, wo der Ausweg war: Weigere dich, das zu akzeptieren, was Jordan gesagt hat - sei der empörte Sohn, der seinen Vater verteidigt; bring dich nicht in die Situation, zwischen zwei Fronten zu stehen. Das ist die Antwort.
    Das mußte er aus all dem schließen, was Ari ihm im Flugzeug gesagt hatte, und er sah deutlich, wohin sie ihn lenken wollte. All die Brocken, die sie ihm nacheinander vorgeworfen hatte - verdammt, sie ist wirklich gerissen. Aber es gab eine Möglichkeit, all das so hinzubekommen, daß er an beide Ufer treten und den emotional Berührten und Empörten spielen konnte - entweder stellte er sich gegen Jordan und ließ sich auf eine Seite ziehen; oder er gewann Jordan für sich - was immer funktionierte, zum Teufel mit Corain, zum Teufel mit all den Möchtegern-Manipulatoren, die in diesem Durcheinander ihre Finger hatten: Er konnte manövrieren, fände er nur eine Position, in der er die Anstrengungen aller, ihn zu überreden, auf sich konzentrieren konnte. Auf diese Weise würde er Informationen sammeln, in einem beschränkten Ausmaß Kontrolle gewinnen können, und er hielt es durchaus für möglich, so die Grenzen zu überschreiten, die Ari für ihn hatte ziehen wollen; aber gerade so weit, daß sie sich Sorgen machte und weiter an ihm und seiner Position arbeitete, nicht solang er einem schmalen Grat zwischen Opposition und Kooperation folgen konnte.
    Er stand unter Beschuß. In solchen Momenten konnte er immer am besten nachdenken. Er hob das Glas und trank noch einen Schluck, und auf einmal war seine Hand ruhig, auch wenn sein Herz noch schwer schlug: Verdammt, Giraud hat an mir ganze Arbeit geleistet. Ich bin mit den Nerven am Ende.

Weitere Kostenlose Bücher