Geklont
Aber der Verstand arbeitet.
»Ist Ihnen irgendeine andere Person bekannt, die ein Motiv für den Mord gehabt haben könnte?«
»Ich wüßte nicht«, sagte er, runzelte die Stirn und fuhr ungefragt fort. »Ich muß Ihnen sagen, Ser, ich habe einen schweren Verdacht, was hier vor sich geht.«
»Welchen Verdacht?«
»Daß mein Vater benutzt wird. Daß, falls er seine Behauptung widerruft - das ebensowenig überprüft werden kann wie die Behauptung selbst. Niemand weiß, was die Wahrheit ist. Und niemand kann es wissen. Er ist ein Forscher. Er war zwanzig Jahre lang nicht in Berührung mit der Tagespolitik. Natürlich kann er eine Stellungnahme abgeben. Er kann alles behaupten. Gott weiß, was ihm gesagt worden ist oder was vor sich geht, aber ich traue der Sache nicht, Ser. Ich weiß nicht, ob man ihm etwas gesagt hat, was ihn zu diesen Anschuldigungen veranlaßte, oder ob man ihm dafür etwas versprochen hat, aber ich mache mir größte Sorgen, Ser, und ich ärgere mich darüber, daß sein Name in politische Vorgänge verwickelt wird, über die er nichts weiß - er wird benutzt, Ser, vielleicht zu etwas getrieben, vielleicht machen sich Leute diese Sache zunutze, die vor zwanzig Jahren kein Wort über die Lippen bekommen haben, um ihm zu helfen, und ganz plötzlich ist jeder an ihm interessiert, nicht weil man weiß, ob er schuldig oder unschuldig ist, sondern weil er politisch als Hebel für Angelegenheiten dient, die sich ihm entziehen, aus Gründen, die mit seinem Wohlergehen nichts zu tun haben. Dagegen werde ich etwas unternehmen, Ser.«
Etwa zwei Atemzüge lang herrschte Schweigen, dann erhob sich Stimmengewirr im Saal.
Nun würde man die Messer zücken, dachte Justin. Jetzt hatte er seine Stellung gefunden und um Jordan eine Barriere errichtet, ganz gleich, was er gesagt hatte.
Seine Hand zitterte derart, daß er beinahe das Wasser verschüttete, als er das nächste Glas leerte, aber es war eine jener Erschütterungen nach einem Kampf. Im Innern hegte er für sich, Jordan und Grant größere Hoffnung als zum Zeitpunkt, als er erfahren hatte, wohin man seinen Vater brachte.
Corain biß sich auf die Lippe, als die junge Ari ihm während der Sitzungsunterbrechung freundlich die Hand schüttelte, und in der Abschirmung seiner und ihrer eigenen Sicherheitsvorkehrungen in ernstem Ton sagte: »So ist die Politik; Reseune versteht das, aber für Justin ist es etwas sehr Persönliches. Er ist unpolitisch. Er betrachtete es zunächst als politisch, was mit seinem Vater passiert ist, und jetzt sieht er, wie alles wieder von vorn losgeht, da Giraud tot ist und die Wahlen laufen. Ich habe ihm geraten, ruhig zu bleiben, aber er ist schrecklich aufgeregt.«
»Sie sollten ihm den Rat geben«, erwiderte Corain kühl, »daß er sich von den Medien fernhalten sollte, junge Sera, wenn das sein Hauptanliegen ist. Wenn er Anschuldigungen ausspricht, wird das vor den Rat kommen.«
»Ich werd's ihm ausrichten, Ser.« Wobei sie leicht das Kinn hob. Nicht Ari seniors Lächeln, nicht dieses überlegene Lächeln, das einen so wütend machte; bloß ein direkter Blick. »Möglicherweise ist meine Vorgängerin ausgerutscht und gestürzt. Ich habe keine Ahnung. Ich bin an der Wahrheit interessiert, allerdings glaube ich wirklich nicht, daß sie im Laufe dieser Vernehmung ans Licht kommt.«
Wenn Ari senior das gesagt hätte, hätte sicher noch viel mehr mitgeschwungen. Corain blickte dieser Inkarnation in die Augen und war sich völlig sicher, daß das auch bei ihr zutraf. Im Wissenschaftsamt zog Reseune an den Fäden, daran gab es keinen Zweifel.
»Es ist mir sehr unangenehm«, erklärte Ari Emory, indem sie einen vertraulichen Ton wie unter Freunden anschlug, »daß das aufgeflogen ist. Die Politik ändert sich, die Standpunkte ändern sich - und man entwickelt gemeinsame Interessen. Es wird nur noch ein paar Jahre dauern, bis ich Reseune leite; es gibt viel, was ich dann tun kann, und ich möchte manches ändern. Bitte verstehen Sie, Ser, daß ich nicht an die Vergangenheit gekettet bin.«
»Sie haben noch ein paar Jahre«, sagte Corain. Gott sei Dank, dachte er dabei.
»Noch ein paar Jahre. Aber ich beteilige mich schon seit langem an der Politik. Wenn meine Vorgängerin jetzt am Leben wäre, würde sie die Gesamtsituation betrachten und etwas anordnen, das getan werden muß, um sie zu beruhigen. Gegenwärtig aber tragen beide Seiten nur Nachteile davon. Der einzige, der davon profitiert, ist Khalid.«
Corain blickte eine
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