Geklont

zweiter Hieb. »Ich werde ihn fragen. - Sera, bleiben Sie eine Weile einfach hier sitzen. Lassen Sie uns Zeit, alles zu überprüfen.«
    »Mein Gott«, murrte Ari, beugte sich vor und zog ihre Schuhe aus. »Wenn hier eine Bombe liegt, ist es mir auch egal. Ich möchte duschen, zu Abend essen und ins Bett, ganz gleich, ob schon jemand drinliegt.«
    Florian lachte. »Wir machen's, so schnell wir können«, versprach er, wandte sich von dem Automatischen Haushälter ab und sah sich die von Catlin gemessenen Werte an, dann packte er seinen eigenen Koffer aus und verteilte seine Hilfsmittel um sich.
    Die Aufforderung zur Sorglosigkeit war der einzige direkte Befehl, dem sie nie folgen würden. Niemand außer ihnen überprüfte ihre Unterkünfte, und das entsprach auch der Vorschrift. Catlin hatte sie vor Jahren aufgestellt, und sie hielten sich immer noch daran, ganz gleich, wie lästig es war.
    Deshalb zog sie die Beine an, stützte die Knie an die Lehne und schloß die Augen, sah dabei noch immer den  zylindrischen Behälter im Boden versinken, die Steinplatte auf das Grab schmettern; Abbans blasses Gesicht; das Gesicht von Justin, der im Flugzeug auf dem Platz ihr gegenüber saß, so blaß und so voller Sorge ...
    Ein verdammt langer Tag. Ein mieser Tag. Corain war zu einem Handel bereit, aber er verhielt sich vorsichtig, er spielte so hart und rücksichtlos wie möglich. Er hatte sich mit Wells vom Amtsausschuß beraten, und nach der Pause waren die Fragen brutal und detailliert geworden.
    Welche Position nehmen Sie gegenwärtig in Reseune ein? Wer hat das zu verantworten?
    Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrem Vater gesprochen? In welchem seelischen Zustand befand er sich?
    Sind Sie jemals auf Grund psychischer Probleme behandelt worden? Wer hat das verfügt?
    Sie haben einen Azi zum Gefährten, Grant ALX-972. Hat er Sie begleitet? Warum nicht?
    Sind Sie jemals einem psychologischen Verfahren unterzogen worden, das Sie diesem Ausschuß gegenüber bisher noch nicht erwähnt haben?
    Justin hatte sich behauptet, indem er den Ausschuß zuweilen offen anlog, oder auch indirekt, eine deutliche Herausforderung an die Opposition im Amt, um zu sehen, ob sie die Stimmen hatten, um auf ein weiteres Verhör mit einer Psychosonde zu drängen; die hatten sie natürlich nicht, hatte Ari ihm in der Pause versichert; aber wir sollten es um Gottes willen nicht auf einen Versuch ankommen lassen.
    Er hatte standgehalten, nicht im mindesten Risse gezeigt, bis ihm allmählich die Stimme versagte; er hatte an Gelassenheit gewonnen und seine Nerven beruhigt - so war das immer bei ihm; er war ungeheuer nervös, weil Politik bei ihm Flashbacks auslöste, denn sein Geist sah in allem so viele Möglichkeiten und sortierte und prüfte Einzelheiten von solcher Bandbreite, daß er Schwierigkeiten hatte, im Kopf zu behalten, wo er war und was um ihn herum vor sich ging, aber er hatte sich gefestigt und sein Gleichgewicht gefunden - sie hatte dieses kurze Luftholen, die Haltung der Schultern in dem Moment erkannt, als sie ihn auf dem Bildschirm im angrenzenden Raum sah, und ganz plötzlich war ihr klar geworden, daß der Ausschuß es mit einem Justin Warrick zu tun hatte, der in diesem Saal saß und allmählich zur Offensive überging.
    Gut, hatte sie dabei gedacht. Gut. Sie meinen, sie konnten ihn in die Mangel nehmen. Er ist vorher noch nie hier gewesen. Jetzt haben sie ihn endlich vor sich. Er ist zu klug, um sich Corain anzuschließen. Auf keinen Fall wird er jemandem folgen, der Fehler gemacht hat; dafür ist er viel zu unduldsam gegenüber Schlampereien, und das hat er gesagt, als er unter Einfluß von Kath stand: Damals hat niemand meinem Vater geholfen. Keiner seiner verdammten Freunde. Das hat ihn sehr feindselig gemacht.
    Sie werden feststellen, daß sie's mit einer Sonderperson zu tun haben, nachdem er sich mit ihren Schlüsseln und Credit-Scheinen davongemacht hat - verdammt, er ist gut, wenn man ihm freie Bahn läßt; dann hat er alles, was man seinem Vater nachsagt, einschließlich des Temperaments - wenn man ihm einmal die Zügel locker läßt und dazu bringt, mit dem Analysieren aufzuhören und zu handeln. Er versucht diese Leute immer noch zu durchschauen, und er haßt Echtzeit-Arbeit leidenschaftlich. Ein zu weites Gebiet. Im Gegensatz zu mir hat er nie gelernt, den Durchschnitt zu ermitteln und zu improvisieren; Justin verlangt nach exakten Werten, und die bekommt man in der Echtzeit-Arbeit ebensowenig wie in der Politik.