Geködert
erzählst mir einen Haufen Sachen«, sagte er, wobei er
den letzten lauwarmen Rest Tee in seine Tasse goß. »Und ich soll sie dir dann schön passend zusammenfügen, wie ein Puzzle.« Er nahm einen Schluck aus der Tasse, verzog aber das Gesicht und stellte sie ab. »Leider sehe ich aber keine logische Verbindung.« Er schniefte. »Entweder ist’s heute viel kälter geworden, oder ich kriege eine Erkältung oder … vielleicht beides. Dieser Buchhalter, Prettyman, ist also in Washington von irgendeinem Gangster umgelegt worden, und jetzt hat man seine Frau auf einen feinen Posten nach Straßburg versetzt, ja? Schön für sie, kann ich da nur sagen. Warum soll die arme Frau nicht befördert werden? Ich war immer der Meinung, wir sollten, so gut wir können, für unsere Leute sorgen.«
Ein langes Schweigen folgte dieser Erklärung, bis ich ihn an den Rest meiner Geschichte erinnerte. »Da war auch noch Bret Rensselaer«, sagte ich.
»Ja, der arme Bret. Verdammt anständiger Bursche, dieser Bret. In Erfüllung seiner Pflicht schwer verwundet. Ein Vorfall in der allerbesten Tradition des Dienstes, wenn ich mal so sagen darf. Und doch scheinst du dich darüber zu ärgern, dass er mit dem Leben davongekommen ist.«
»Ich war nur überrascht, als er von den Toten wieder auferstand.«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte Onkel Silas. »War dir das vielleicht nicht recht?« Er kratzte sich ungeniert zwischen den Beinen. Er war ein seltsamer alter Teufel. Fett und schlampig, mit einem groben Humor und beißenden Witz, deren Opfer nichts zu lachen hatten.
»Da sind einfach zu viele Sachen passiert … komische Sachen.«
»Ich kann dir wirklich nicht folgen, Bernard.« Er schüttelte den Kopf. »Wirklich nicht.« Onkel Silas hatte das Talent, Tatsachen so lange zu verdrehen, bis sie sich seiner Hypothese fügten. »Es bringt uns nicht weiter, wenn du dasitzt und mich feindselig anstarrst, mein lieber Junge.« Er hielt inne, um sich mit einem großen roten Tuch, das er aus der Tasche gezogen hatte, die Nase zu schneuzen. »Ich versuche nur zu verhindern, dass du noch mehr Dummheiten machst.«
»Welche zum Beispiel?«
»Na, zum Beispiel wäre es ein Jammer, wenn du den armen alten Dodo überfallen würdest, um ihn einem hochnotpeinlichen Verhör zu unterziehen.« Der alte Silas war vielleicht der letzte unter den Lebenden, der noch von »hochnotpeinlichen Verhören« redete.
»Hast du ihn gut gekannt?«
»Ja, ich erinnere mich sehr gut an ihn«, sagte Silas. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und starrte ins Feuer. »Sein wirklicher Name war Theodor, Theodor Kiss, er ließ sich deshalb lieber Dodo nennen. Ein eifriger Arbeiter und ein helles Köpfchen. Gutes Examen an der Wiener Universität und administratives Talent. Eine Menge Sprachen und sogar Dialekte. Dodo konnte sich ohne Schwierigkeiten als Deutscher ausgeben. Oder als Österreicher. Ohne Schwierigkeiten.«
»Erstaunlich«, sagte ich.
»Ach, ich weiß, du kannst das auch, Bernard. Aber trotzdem ist es ein ziemlich ungewöhnliches Talent. Nicht viele Deutsche wären dazu imstande, wie ich zu meinem Bedauern habe lernen müssen. Dodo war ein bemerkenswerter Sprachkünstler.«
»Er hat für Gehlen gearbeitet«, sagte ich, um Silas in Erinnerung zu rufen, dass der tüchtige Mann eine NaziVergangenheit hatte.
»Viele der besten Leute waren bei Gehlen. Nach dem Krieg waren sie die einzigen Leute mit Erfahrung, die uns zur Verfügung standen. Ich persönlich habe sie allerdings nie beschäftigt«, sagte Silas, vielleicht um meine Wut zu dämpfen. »Nicht unmittelbar jedenfalls. Ich habe immer einen gewissen Abstand zu den ehemaligen Abwehrleuten gehalten. Der Lange hat ihn genommen … wie nannte er doch diesen Haufen, den er führte?«
»Die Preußen«, sagte ich.
»Richtig. Kobys Preußen. Wie konnte ich das nur vergessen. Schlimm, dass sogar das Langzeitgedächtnis schon anfängt, mich im Stich zu lassen.«
Ich sagte nichts.
»Dein Vater auch. Der wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Es war ihm gar nicht recht, als du anfingst, für Koby zu arbeiten.«
»Ich habe mich mit Max zusammengetan«, sagte ich. »Und Max gehörte eben zu Kobys Haufen.«
Silas schniefte. »Du hättest bei deinem Vater bleiben sollen, Bernard.«
»Ich weiß«, sagte ich. Er hatte einen Nerv berührt.
Einige Minuten lang saßen wir schweigend da. »Dein Dodo ist ganz in Ordnung«, sagte Silas endlich, als hätte er gründlich darüber nachgedacht. »Vielleicht ein bisschen zu
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