Geködert
Sonderregelung beantragen können.«
»Ich nehme an, du hast recht«, sagte ich. »Über solche langfristigen Sachen zerbreche ich mir selten den Kopf.«
»Schade«, sagte Silas, »das ist wirklich bedauerlich.« Er senkte die Stimme, als wolle er mir etwas Geheimes und Wichtiges anvertrauen, ein Trick, den er sich bei seinen Einsatzbesprechungen angewöhnt hatte. »Wenn du ab und zu solche Sachen in Betracht ziehen würdest, dann stünde dir jetzt vielleicht das Wasser nicht bis zum Hals.«
»Ach, wirklich?«
»Ist Dicky Cruyer der richtige Mann für den Posten in Berlin?« Seine Stimme war noch immer leise.
»Er will ihn jedenfalls haben.«
»Dicky hat keine deutschen Beziehungen, stimmt’s? Jedenfalls keine, die auch nur einen Pfifferling wert sind. Auf den Posten in Berlin gehört jemand, der eine Nase für die Atmosphäre dort hat, jemand, der ein Gefühl für die Straße hat, jemand, der riechen kann, was los ist, und zwar ohne dass es ihm das Department steckt.«
»Jemand wie Frank?«
»Frank, wie dein Vater, war einer von meinen Schützlingen. Ja, Frank hat seine Sache in Berlin gut gemacht. Aber im Alter wird jeder Mann langsamer. Auf den Posten in Berlin gehört ein beweglicher, jüngerer Mann, der herumkommt. Frank sitzt viel zuviel zu Hause vor seinem verdammten Grammophon.«
»Ja«, sagte ich und nickte ernst. Grammophon? Silas wusste über Franks außereheliche Liebesaffären genauso gut Bescheid wie ich, aber er erzählte die Geschichte anscheinend lieber auf seine Art. So war er immer schon. »Ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst, Silas«, sagte ich. Wenn ich ein braver Junge wäre und mit meinen außerdienstplanmäßigen Fragen nicht ständig Schrecken und Verzweiflung verbreiten würde, könnte ich den Job in Berlin bekommen. Darauf wollte er hinaus. Ich glaubte nicht daran.
»Wirklich? Das freut mich aber«, sagte Silas. Ich erhob mich von meinem Sitz. »Würdest du mir dann den Gefallen tun, diesen Dodo ein, zwei Tage lang noch in Ruhe zu lassen …?«
»Eigentlich wollte ich heute abend zu ihm gehen«, entgegnete ich. »Samstag abends ist er immer zu Hause, weil’s da irgendwas im Fernsehen gibt, das er unbedingt sehen muss.«
»Nur bis nächste Woche. Zeit zum Abkühlen, ja? Das ist für alle Beteiligten das Beste, mein lieber Junge.«
Ich sah Silas an. Sein Rat war zweifellos gut, aber ich kochte und konnte es nicht erwarten, dem verleumderischen Schwein gegenüberzustehen. Silas starrte zurück, ohne nachzugeben. »Wenn es unbedingt sein muss«, sagte ich schließlich.
»Du wirst deine Entscheidung nicht bedauern«, sagte Silas. »Ich werde mit dem Alten darüber reden. Und über dich.«
»Es war nett von dir, dass du dir Zeit für mich genommen hast, Silas.«
»Warum bleibst du nicht zum Abendessen? Wir könnten eine Partie Billard spielen.« Das Taschentuch in der Hand, hielt er inne wie vom Schlag getroffen, und für einen schrecklichen Augenblick glaubte ich, dass ihm irgend so was tatsächlich passiert wäre, doch dann nieste er.
»Du gehörst ins Bett, Silas«, sagte ich, »du bist schwer erkältet.«
Silas bestand nicht auf seiner Einladung. Er war schließlich ein alter Herr mit festen Gewohnheiten. Unangekündigter Besuch war nicht nach seinem Geschmack, und unvorhergesehene Gäste zum Abendessen schon gar nicht. Er wischte sich die Nase und fragte: »Irgendwelche Neuigkeiten von deiner Frau?«
»Nichts.«
»Es muss schwierig sein für dich, aber gib nicht auf«, sagte Silas. »Wann besuchst du mich mal mit den Kindern?«
Ich sah verblüfft auf. Dass eine derartige Invasion seiner wohlgeordneten kleinen Welt ihm willkommen sein könnte, hätte ich nie für möglich gehalten. »Jederzeit«, erwiderte ich verlegen. »Heute in einer Woche? Zum Mittagessen?«
»Großartig!« Er sah aus dem Fenster und sagte: »Ich werde Mrs. Porter einschärfen, das Lendenstück nicht zu sehr durchzubraten. Und danach vielleicht eine Charlotte Russe? Das ist doch was für Billy, nicht?«
Sein Auge für solche Kleinigkeiten überraschte mich immer wieder von neuem; es war ihm also nicht entgangen, wie gierig Billy bei unserem letzten Besuch hier Mrs. Porters Roastbeef und Charlotte Russe vertilgt hatte. »Ja«, sagte ich, »für uns alle übrigens.«
»Dich brauchen wir nicht in Versuchung zu führen, du magst doch alles«, sagte Silas wegwerfend. »Manchmal wünschte ich, du wärst ein bisschen wählerischer.«
Ich verstand, dass dieses Urteil nicht nur meinen Geschmack im engeren Sinne treffen
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