Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
Gentlemen«, sagte er. Der britische Captain war ein schüchterner junger Mann, dessen breiter Schnurrbart noch sehr pubertär dünn wirkte. »Wer von Ihnen ist Mr. Samson?«
Ich habe mich später oft gefragt, weshalb Werner, ohne einen Augenblick zu zögern, antwortete: »Ich bin Bernard Samson. Was gibt es, Captain?«
Werner hatte ein Nase dafür, wenn irgendwas nicht stimmte, deshalb sagte er das. Noch bevor mir etwas Ungewöhnliches auffiel, ahnte er schon, dass etwas faul war, und das war wirklich schnell.
»Ich muss Sie bitten, mich zu begleiten«, sagte der Captain. Er warf dem Sergeant einen Blick zu – der war ein untersetzter, kräftiger Mann von ungefähr vierzig Jahren und trug eine schwere Pistole am Koppel –, und der Blickwechsel der beiden verriet mir alles, was ich wissen musste.
»Sie begleiten?« fragte Werner. »Aber warum?«
»Das sollten wir vielleicht besser im Büro besprechen«, erwiderte der Captain. Er wirkte leicht nervös.
»Ich geh’ wohl besser mit, Werner«, sagte Werner, seine Rolle weiterspielend.
Ich nickte. Wieso machte Werners deutscher Akzent die Leute nicht misstrauisch? Vielleicht war ihnen nicht gesagt worden, dass Bernard Samson Engländer war.
Wie um mir etwas zu beweisen, wandte sich Werner an den Captain und fragte: »Bin ich verhaftet?«
»Also …« sagte der Captain. Offensichtlich hatte man ihm mal erzählt, dass eine Verhaftung in der Öffentlichkeit so etwas wie die letzte Zuflucht sei, etwas, das man nur dann macht, wenn nette Worte nicht mehr weiterhelfen. »Nicht direkt. Ich meine … nur wenn Sie nicht freiwillig mitgehen.«
»Also, wir werden das gleich in Ihrem Büro aufklären. Da muss irgendeine dumme Verwechslung vorliegen«, sagte Werner.
»Zweifellos«, sagte der Captain erleichtert. »Vielleicht kann Ihr Freund Ihnen solange das Paket abnehmen?«
»Ich nehme es«, sagte ich.
Der Captain wandte sich an einen seiner Begleiter und sagte: »Helfen Sie dem Herrn, Corporal. Nehmen Sie ihm das Paket ab.«
Ich hatte Werners Aktentasche unter dem Arm. Sie enthielt seinen Pass und alle möglichen anderen persönlichen Papiere. Wenn sie Werner mit auf die Wache nahmen, konnte es ein, zwei Stunden dauern, bis sie dahinterkamen, dass sie den falschen Mann verhaftet hatten. Ich folgte also dem Corporal und Werners Porzellankiste und überließ Werner seinem Schicksal.
Von einem Militärpolizisten begleitet, passierte ich Zoll und Passkontrolle, ohne kontrolliert zu werden. Vor der Ankunftshalle standen Taxis. Mein Fahrer war ein unrasierter Jüngling in einem schmutzigen roten T-Shirt, auf dem das Wappen der Harvard University fehl am Platz wirkte. »Ich will zu einer Adresse in der Oranienburger Straße. Ich kenne das Haus vom Sehen, weiß aber die Nummer nicht. Fahren Sie erst mal zum S-Bahnhof Wittenau«, sagte ich langsam und deutlich, in Hörweite meines polizeilichen Begleiters. Daran würden sie erst mal zu beißen haben, denn die Oranienburger Straße ist endlos, geht vom Flughafen bis nach Hermsdorf. Keine Straße, in der man sich unbedingt von Tür zu Tür durchfragen will.
Sobald der Flughafen außer Sicht war, erklärte ich dem Fahrer, dass ich’s mir anders überlegt hätte und nun zum Bahnhof Zoo wolle. »Also zum Zoo«, wiederholte der Fahrer. Dabei grinste er mich im Rückspiegel an. Die Umgebung des Bahnhofs Zoo hat den Charakter des Times Square in New York: zentral gelegen, aber bevorzugter Aufenthalt von Randexistenzen. Wenn jemand untertauchen wollte, konnte er dort immer jemanden finden, der ihm dabei half. »Alles klar«, sagte der Fahrer. Er dachte sich wahrscheinlich, dass ich die Militärpolizei abhängen wollte, und das fand er gut.
Ja, dachte ich, alles ist klar. Kaum hatte ich ihm mein Herz ausgeschüttet, hatte der verdammte D.G. angeordnet, mich in Berlin zu verhaften. Schlau von ihm, das in Berlin machen zu lassen. Hier war das Militär König. Hier gab es keine bürgerliche Freiheit, die nicht durch Verordnungen, die noch aus der Kriegszeit datierten, außer Kraft gesetzt werden konnte. Hier konnte man mich einfach einsperren und schmoren lassen. Ja, alles klar, Sir Henry. Ich hänge an der Angel.

22
    Ich habe keine Ahnung, was ich eigentlich erreichen wollte, außer genug Zeit zu gewinnen, meine Gedanken zu sammeln und auf irgendeinen rettenden Einfall zu warten.
Den Gedanken, mir die stumpfnasige 38er Smith & Wesson und die fünfhundert Pfund in verschiedenen Währungen und kleinen Scheinen, die ich immer in Lisls Hotelsafe

Weitere Kostenlose Bücher