Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
eisigen Frischluft im Schlafzimmer. Als ich das einmal Fiona gegenüber vermutet hatte, sagte die zwar, das sei doch lächerlich, aber ich fand es überhaupt nicht lächerlich. Ich kann kalte Schlafzimmer nicht ausstehen. Ungesunde Wärme ist mir lieber.
Frank war natürlich nicht im Bett. Ich hatte das auch nicht erwartet. Deshalb stieg ich ja durchs Fenster ein. Zuerst einmal musste ich jedoch tausendundeine Flaschen, Tuben und Dosen mit Badeöl, Rasierseife, Shampoo, Zahncreme und weiß der Teufel was noch allem auf dem Fensterbrett vorsichtig zur Seite schieben. Wozu brauchte Frank bloß dieses ganze Zeug? Oder waren das die Hinterlassenschaften seiner Freundinnen?
Endlich konnte ich vom Rahmen aufs Fensterbrett steigen und von dort aus in die Badewanne … Du meine Güte, es war Wasser in der Badewanne. Eine ganze Menge! Konnte dieser verdammte Tarrant nicht mal dafür sorgen, dass der Abfluss im Bad anständig funktionierte? Ich hatte den Schuh voll Seifenwasser. Ekelhaft! Ich mochte Franks Diener nicht, und das Gefühl wurde erwidert. Wenn ich genauer darüber nachdachte, dann war der Hauptbeweggrund, warum ich nicht einfach an die Haustür klopfte, mein Misstrauen gegen diesen Tarrant. Wenn er mich gesehen hätte, in der Klemme, in der ich jetzt steckte, würde es drei Minuten dauern, und er hätte sich an die Strippe gehängt und mich verpfiffen. Weniger als drei Minuten. Dreißig Sekunden.
Frank war unten. Ich wusste, wo er war. Ich wusste das schon, als ich auf dem Rasen hinter dem Haus an der Regenrinne hochsah. Er saß im Wohnzimmer und hörte seine Duke-Ellington-Platten. Das machte Frank fast immer, wenn er allein zu Hause war. Volle Lautstärke, so dass man Schlagzeug und Blechbläser noch an der nächsten Straßenecke hörte. Frank sagte, dass man diese alten Platten nur dann richtig genießen könne, wenn man sie so laut spielte, wie die Kapellen bei der Aufnahme gespielt hatten, aber ich glaube, Frank wurde allmählich taub.
Es war die Besetzung von 1940 – meiner Meinung nach die beste, die Ellington jemals hatte, Frank war anderer Meinung –, und sie spielte »Cotton Tail«. Kein Wunder, dass Frank nicht hörte, wie ich ins Zimmer kam. Ich hätte einen Mähdrescher über die Schwelle fahren können, und auch das hätte Frank beim Genuß dieses dröhnenden Swing nicht gestört.
Frank saß auf einem Stuhl genau zwischen zwei turmhohen Lautsprechern. Er trug einen gelben Pullover und einen Seidenschal mit Paisley-Muster um den Hals, dessen Enden in den offenen Hemdkragen gesteckt waren. Er hätte eine Rolle in einer von Noel Cowards Gesellschaftskomödien spielen können, nur die große gebogene Tabakpfeife in seiner Faust und die stinkenden Rauchwolken, die mich zum Husten reizten, passten nicht dazu. Er saß über eine Schallplatte gebeugt und entzifferte die kleine Schrift auf dem Label. Ich wartete, bis er aufblickte.
»Hallo, Frank«, sagte ich so beiläufig, wie ich konnte.
»Hallo, Bernard«, sagte Frank und hob warnend die Pfeife. »Hör dir Ben Webster an.«
Anhören. Was hätte ich sonst tun sollen? Das Tenorsaxophonsolo ging mir durch den Schädel wie ein Elektrobohrer. Doch als endlich der unsterbliche Webster fertig war, drehte Frank den Ton leiser, bis er nur noch laut war.
»Whisky, Bernard?« fragte er. Er goß mir bereits einen ein. »Danke«, sagte ich dankbar.
»Du bist mir immer willkommen, Bernard. Aber ich wünschte, du würdest einfach an die Haustür klopfen wie andere Besucher auch.«
Wenn Frank wusste, dass es einen Haftbefehl gegen mich gab, dann war er jedenfalls ganz schön gelassen. »Warum?« fragte ich und trank einen Schluck Whisky. Laphroaig. Frank wusste, dass ich den besonders gern trank.
»Damit du mir den Teppich nicht so versaust«, sagte Frank mit einem flüchtigen Lächeln, das seinen Vorwurf wieder zurücknehmen sollte.
Ich sah mir den Teppich an. Mein nasser Schuh hatte Spuren hinterlassen. Man konnte ihnen bis zur Tür folgen, und höchstwahrscheinlich durchs ganze Haus. »Tut mir leid, Frank.«
»Warum musst du eigentlich jeden Gaul vom Schwanz her aufzäumen, Bernard? Damit machst du deinen Freunden das Leben verdammt schwer.« Frank hatte seine Vaterrolle immer ernst genommen, und er bewies das, indem er immer zur Stelle war, wenn ich ihn brauchte. Manchmal fragte ich mich, was für ein Mann mein Vater gewesen sein mochte, eine so tiefe und treue Freundschaft zu verdienen, von deren Kapital ich jetzt noch zehrte. »Du bist inzwischen zu alt dafür,

Weitere Kostenlose Bücher