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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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auch eins der Räder dabei auf den Bürgersteig geriet.
Gloria betrat das Restaurant mit jenem fröhlichen Schwung, der die Auftritte von Profis des Showbiz auszeichnet. Ohne große Gesten oder quer durch den Raum schreien zu müssen, schaffte sie es, dass jeder sich nach ihr umsah. Selbst betrunken hätte ich das nie geschafft. Vermutlich war das auch einer der Gründe, warum sie mir so gefiel. Sie war alles, was ich nicht sein konnte. Ein dicker Kuss und eine Umarmung. »Ich bin halb tot vor Hunger, Liebling«, sagte sie. »Wie war es in Kalifornien?« Noch ein Kuss. »Warst du schwimmen?« Alfonso nahm ihren Mantel und zog einen Stuhl für sie heran. Sie sagte: »Bin ich schon zu spät zum Essen, lieber Alfonso?«
»Wie könnte ich Sie denn hungrig fortschicken, schöne Dame?« Alfonso gab ihren Mantel einem Kellner und legte mit überraschender Geschwindigkeit ein Gedeck vom Nachbartisch für sie auf.
Kaum hatte sie einen Blick auf die Speisekarte geworfen, sagte Gloria: »Könnte ich dieses leckere Kalbslebergericht haben, das Sie mit Zwiebeln und Salbei machen? Und als Vorspeise marinierte Pilze?« So war sie. Kurzentschlossen in fast allen Angelegenheiten. Ich frage mich oft, ob sie sich ihre Antworten vielleicht vorher zurechtlegte. Oder waren ihr einfach nur die Konsequenzen dieser Entschlüsse egal, die sie so schnell traf? »Perfekt!« sagte Al, als wenn nie zuvor jemand auf die glorreiche Idee gekommen wäre, gerade diese Bestellung aufzugeben. Und dann, als er noch einmal darüber nachdachte: »Absolut perfekt!« Er goß ihr Wein ein und hielt die Flasche ans Licht, als machte er sich Sorgen, dass nicht mehr genug drin sein könnte für uns. »Wie geht’s deiner Mutter?« fragte ich in dem Bemühen, die Temperatur ein bisschen zu senken.
»Sie wird’s überleben.«
»Was war denn?« fragte ich.
»Die arme Mami zieht ihre theatralische ungarische Schau ab, weil sie meint, dass Papa ihrer müde wird.«
»Und stimmt das?«
»Ich nehme an. Lieber Gott. Ich weiß nicht. Die beiden sind schließlich seit fünfundzwanzig Jahren verheiratet. Es würde mich nicht wundern, wenn er sich langsam ein bisschen eingesperrt vorkäme. Ich habe hinreißende Patientinnen in seiner Praxis gesehen. Und alle schwärmen sie für ihn.«
»Dein Vater empfindet die Ehe als Gefängnis?«
»Das kann schon passieren. Die beiden haben nicht viele Gemeinsamkeiten.«
Ich war überrascht, dass sie so gleichgültig blieb. »Sie sind doch beide ungarische Flüchtlinge. Sie sind gemeinsam hierher gekommen, um ein neues Leben anzufangen.«
»Inzwischen sprechen sie beide ausgezeichnet Englisch, meine Schwestern sind im Internat, und ich bin ausgezogen. Es gibt nicht mehr viel, was sie zusammenhält.«
»Und da bezeichnen die Leute ausgerechnet mich als Zyniker.«
»Ich bin nicht zynisch. Ich stelle nur die Tatsachen fest.«
»Hast du deiner Mutter das so gesagt?«
»Na ja, ich hab’s ein bisschen verpackt.«
»Ich will hoffen, dass du das sehr dick verpackt hast. Deine Mutter muss sterbensunglücklich sein. Und vielleicht läuft dein Vater in Wirklichkeit gar nicht anderen Frauen nach. Vielleicht fühlt er sich nicht mal gefangen.«
Sie nahm einen Schluck Wein, sah mir in die Augen und fing langsam an zu lächeln. »Du bist wirklich ein Romantiker, Bernard. Ein altmodischer Romantiker. Vielleicht habe ich mich deshalb so in dich verknallt.«
Sie lächelte noch immer. Sie hatte sich während meiner Abwesenheit eine neue Frisur zugelegt. Jetzt trug sie einen Pony, der ihr bis auf die Augenbrauen in die Stirn fiel. Sie war hinreißend schön. »Hübsch, deine neue Frisur«, sagte ich.
Sie berührte ihr Haar. »Gefällt sie dir wirklich?«
»Ja.« Ich konnte die Vorstellung, von ihr getrennt zu sein, und sei’s auch nur für ein, zwei Tage, plötzlich nicht ertragen. Und sie wollte nach Cambridge ziehen, an die Universität, verdammt. Sie schickte mir einen Kuss über den Tisch.
»Ich liebe dich, Gloria«, sagte ich zu meiner eigenen Überraschung.
Sie lächelte und spielte verlegen mit ihrem Besteck. Sie schien etwas erregt, und ich fragte mich, ob sie sich nicht vielleicht wegen ihrer Mutter doch mehr Sorgen machte, als sie zugab.
»Ich habe Bret Rensselaer getroffen«, sagte ich. »Jeder hielt ihn für tot, aber er ist auf dem Wege der Besserung.«
»Du hast Bret Rensselaer getroffen?« Dass Bret noch lebte, überraschte sie nicht so sehr, wie es mich überrascht hatte, aber schließlich war es ja schon Jahre her, dass wir Bret

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