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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Eisschrank gestellt hatte, essen zu müssen. Ich nahm also den Wagen und fuhr nach Wimbledon, um bei Alfonso zu essen. Die Kinder nannten, seitdem wir gemeinsam eine Aufführung von Mozarts Cosi fan tutte besucht hatten, den Wirt dieses kleinen italienischen Restaurants Don Alfonso. Tatsächlich war Alfonso Spanier, und obwohl er sich nicht scheute, in Wimbledon angeblich italienisches Essen aufzutischen, war er doch nicht so dumm, sich an der britischen Küche zu versuchen. Erst recht nicht an einem sonntäglichen Lunch.
    An diesem Sonntag war Alfonsos Restaurant voller lärmender Leute, die nicht wussten, dass das häusliche Mittagessen eine heilige englische Tradition ist. Es waren eine Menge Kinder da, und zwei mit Nachspeisen beladene Servierwagen harrten der großen Schlacht. Aus dem Lautsprecher schallte eine von vielen Nadeln zerkratzte Aufnahme einer Falsettstimme, die, heftig von Gitarren begleitet, Volare sang. Dies ungefähr alle halbe Stunde von neuem.
    »Nehmen Sie die aragosta fra Diavolo «, riet Alfonso, nachdem er mir ein Glas Weißwein eingeschenkt und, die Flasche drehend, mir ein beeindruckendes Soave-Etikett offenbart hatte. »Trinken Sie! Trinken Sie! Auf Rechnung des Hauses, Mr. Samson.« Man musste schon sehr unaufmerksam sein, um Alfonso für einen Italiener zu halten, obwohl er sich während eines achtjährigen Aufenthalts in Rom allerlei römische Eigenarten – namentlich das muntere und skrupellose Geschäftsgebaren römischer Gastwirte – angeeignet hatte. Denn bei aller Munterkeit war er seine iberische Melancholie nie losgeworden. Ich kostete den Wein und studierte die Speisekarte. »Hummer, in Wein gedünstet mit Tomaten. Wirklich köstlich«, sagte Alfonso zur Begründung seiner Empfehlung.
    »Hummer aus der Tiefkühltruhe?« fragte ich. Er beobachtete einen seiner jüngsten Kellner, der versuchte, gebackene Lasagne aus der Metallschüssel zu kratzen, in der sie aus dem Ofen kamen. Sie fiel ihm fast aus der Hand dabei. Es kostete Alfonso sichtlich große Überwindung, nicht quer durch das Lokal zu rennen, um sich der Sache selbst anzunehmen.
    Der Ärger über die Ungeschicklichkeit des Kellners floß in die Antwort ein, die er mir gab: »Sie glauben doch nicht, dass ich die Viecher frisch aus dem Dorfteich von Wimbledon fische, oder? Natürlich sind sie aus der Tiefkühltruhe.«
    »Ich mag gefrorenen Hummer nicht«, sagte ich. »Und ich mag nichts, was mir als Diavolo serviert wird.«
Alfonso schluckte. »Was ist Ihnen denn heute früh passiert? Mit dem linken Fuß zuerst aus dem Bett gestiegen?«
»Ich bin überhaupt nicht aus dem Bett gestiegen. Habe die ganze Nacht in einem verfluchten Flugzeug verbracht«, sagte ich. Wir sahen jetzt beide zu, wie der ungeschickte Kellner einen mit Pasta und Tomatensauce gefüllten Schöpflöffel quer über den ganzen Tisch auf den Teller eines der Gäste hinschweben ließ. Wie durch ein Wunder erreichte er sein Ziel, und niemand wurde bekleckert.
Alfonso atmete aus und sagte: »Okay, okay, okay, entschuldigen Sie die Frage. Trinken Sie noch einen Schluck Soave. Soll ich dem Koch sagen, dass Sie gerne einen köstlichen halben Hummer ohne Chili hätten, nur mit wenig zerlassener Butter?«
»Aber wonach schmeckt Hummer aus der Tiefkühltruhe ohne Chili?« fragte ich.
»O weh, o weh! Die entzückende Dame fehlt, das wird’s sein. Sind Sie immer so, wenn Sie allein sind?«
»Ich bin ja gar nicht allein. Sie sind doch da und wollen mir was zu essen verkaufen.«
»Etwas sehr Leichtes«, sagte er. Er sagte das immer, selbst wenn er Schweinebraten und Klöße empfahl. Ich weiß das, denn er empfahl oft Schweinebraten und Klöße, und ich habe das schon oft gegessen. »Fisch«, sagte er jetzt. »Eine wunderschöne, nicht tiefgefrorene Seebarbe, mit Oliven gebacken. Grüner Salat. Und zuvor eine halbe Portion Risotto.«
»Okay.«
»Und eine Karaffe von diesem Soave?«
»Spinnen Sie, Al? Jeder weiß doch, dass die italienischen Gastwirte ihren Alkohol im Geräteschuppen hinter dem Haus selbst fabrizieren. Also bringen Sie mir meinetwegen Soave, aber bitte in einer noch zugekorkten Flasche.«
»Sie sind ein Zyniker, Mr. Samson«, sagte er.
»Und Verfolgungswahn habe ich obendrein«, sagte ich. »Das sagt jeder.«
Einsam verzehrte ich mein Mahl und beobachtete, wie meine Tischgenossen betrunken und immer lauter wurden. Der verbeulte gelbe Mini kam, als ich beim Kaffee war. Sie fand einen Parkplatz direkt vor dem Lokal. Sie parkte elegant und zügig, wenn

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