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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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auch nach der Temperatur oder der Tageszeit in New York City, was weiß ich.
    »O ja«, sagte ich, »wirklich sehr gut.«
    Aber warum hätte diese Besprechung auch nicht zu seiner Zufriedenheit verlaufen sollen? Was Dicky Cruyer, mein unmittelbarer Vorgesetzter, eine »Abteilungsbesprechung«
    nannte, fand jeden Dienstagvormittag in einem der Konferenzräume statt. Einst hielten wir diese Besprechungen in Dickys Büro ab, aber seitdem war das Reich des Leiters der Deutschland-Abteilung erheblich gewachsen. Wir brauchten jetzt einen größeren Raum, da Dicky inzwischen an den Dienstagvormittagen die Vorträge probte, die er den hohen Tieren im Außenministerium zu halten gedachte.
    Normalerweise war das ein Wirrwarr von in letzter Minute zusammengestückelten Schreibtischinventionen, aber heute

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    hatte Dicky Satellitenfotos dazugenommen und hübsche, bunte graphische Darstellungen, die er in unserer neuen
    »Kunstabteilung« hatte anfertigen lassen. Ein »Vorführer«
    bediente den Lichtbildprojektor, Dicky deutete mit einem ausziehbaren Zeigestock auf der Leinwand herum und hielt dabei im verdunkelten Zimmer Ausschau, ob sich auch niemand eine Zigarette angesteckt hatte.
    Die dienstäglichen Besprechungen gaben Dicky auch die Gelegenheit, seinen Untergebenen Arbeiten zuzuteilen, Streitigkeiten zwischen ihnen zu schlichten und langsam an den Monatsbericht zu denken – der nächste musste Freitag früh auf dem Tisch des Director-General sein. Das heißt, Dicky brachte mich dazu, langsam daran zu denken, weil ich ihn jedesmal schreiben musste.
    »Es geht einfach darum, sie zu motivieren«, sagte Dicky, an seinem Rosenholztisch sitzend und eine Papierklammer geradebiegend. »Ich möchte, dass alle das Gefühl haben …«
    »Zu einem Team zu gehören«, ergänzte ich.
    »Ganz recht«, sagte er. Als ihm dann im nachhinein auffiel, dass mein Ton möglicherweise sarkastisch gewesen sein könnte, runzelte er die Stirn. »Was den Teamgeist angeht, hast du noch eine Menge zu lernen, Bernard«, sagte er.
    »Ich weiß«, erwiderte ich. »Ich glaube, in der Schule, die ich besucht habe, hat man auf Teamwork nicht genug Wert gelegt.«
    »Diese lausige Schule in Berlin«, sagte er. »Ich habe nie verstanden, warum dein Vater dich auf eine deutsche Schule geschickt hat. Es muss doch eine Schule für die Söhne britischer Offiziere gegeben haben, oder nicht?«
    »Er war der Meinung, da würde ich jedenfalls ein anständiges Deutsch lernen.«
    »Na, das hast du ja auch«, gab Dicky zu. »Aber du musst der einzige Engländer an dieser Schule gewesen sein. Und damit bist du ein Einzelgänger geworden, Bernard.«

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    »Kann schon sein.«
    »Und darauf bist du auch noch stolz, wie ich sehr wohl weiß.
    Aber ein Einzelgänger ist immer ein Außenseiter, Bernard.
    Ich wünschte, ich könnte dir das begreiflich machen.«
    »Ich brauche deine Notizen.«
    »Welche Notizen?«
    »Für den Bericht an den D.G.«
    »Diesmal habe ich so gut wie keine Notizen gemacht, Bernard«, sagte er stolz. »Ich kriege allmählich Übung in diesen Dienstagvormittagsansprachen. Ich improvisiere das meiste.«
    Himmel hilf! dachte ich. Ich hätte doch lieber zuhören sollen. »Ein paar Stichworte wären schon etwas«, sagte ich.
    »Schreib einfach, was ich gesagt habe.«
    »Aber es ist eine Frage der Gewichtung, Dicky.«
    Er warf die wieder zurechtgebogene Büroklammer in seinen großen Kristallaschenbecher und sah mich scharf an. »Eine Frage der Gewichtung« war Dickys Umschreibung, jedesmal wenn er nicht zugeben wollte, dass er absolut nichts verstanden hatte.
    Eilig fügte ich hinzu: »Die Sache ist so technisch.«
    Das besänftigte Dicky ein wenig. Er war gerne »technisch«.
    Bis vor kurzem waren Dickys Vorträge weiter nichts als eine einfache Nacherzählung der alltäglichen Arbeit des Büros gewesen. Dann hatte er aber beschlossen, dass die Zukunft der fortgeschrittenen Technik gehörte, und seitdem hatte er sich zu einem kleinen Experten – und riesigen Langweiler –
    entwickelt, der sich in Themen wie »Fotointerpretation von Nachrichten aus unbemannten Raumfahrzeugen« erging und
    »Radarsensoren, die monochrome, farbige, verfärbte und infrarote Bilder liefern«.
    »Ich dachte, ich hätte alles sehr sorgfältig erklärt«, sagte Dicky.

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    »Hast du allerdings«, erwiderte ich und beugte mich weit genug vor, um durch die auf Pappe gezogenen Abbildungen zu blättern, die er hergezeigt hatte, in der Hoffnung, sie in irgendeiner

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