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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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französischen Wein, eine Schweizer Geschirrspülmaschine und eine von diesen japanischen HiFi-Anlagen, mit denen als Bedienungsanleitung ein dickes Lehrbuch geliefert wird.
    Natürlich hatten die Prettymans keine Kinder finanzieren müssen, und ich nehme an, dass sie wegen des rapiden Anstiegs der Londoner Immobilienpreise mit dem Haus, das sie in Edgeware hatten, einen schönen Profit machten. Jetzt wohnte Cindy in einem winzigen Haus in einer Seitenstraße der King’s Road, die für ihre Punks, Pubs und exotischen Boutiquen bekannt ist. Das ganze Haus bestand aus vier kleinen Räumen übereinander, deren unterster – Küche und Eßzimmer – im Souterrain lag. Aber es war die Sorte Haus, das

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    von Immobilienmaklern als »Schmuckstück« bezeichnet wird und um das sich frisch geschiedene Werbefachleute reißen.
    Auf dem Eßtisch standen Kerzen und rosa Rosen und mehr Weingläser, als ich zählen konnte, und das Besteck war aus massivem Silber. Durch das Fenster zur Straße sahen wir die Waden der Leute, die am Haus vorbeigingen und ihrerseits sehen konnten, was wir aßen. Und vielleicht war dies der Grund, weshalb uns eine Mahlzeit von der Sorte serviert wurde, die man in den Seiten der Frauenzeitschriften gewöhnlich von oben fotografiert sieht. Drei papierdünne Scheibchen Avocado am Ufer einer winzigen Pfütze von Tomatensoße im dynamischen Kontrast zu einem Scheibchen Kiwi. Das war die Vorspeise. Als Hauptgericht folgten drei dünne Scheibchen Entenbrust, garniert mit einem Schnitzel Mango und einem Salatblatt. Eine dünne Scheibe von Cindys köstlicher, selbstgemachter Schokoladenroulade schloss die Mahlzeit ab. Ich aß eine Menge Brot und Käse.
    Cindy war eine kleine, blasse junge Frau mit spitzer Nase und wie ein Amorbogen gezeichnetem Mund. Sie kleidete sich streng, was sowohl zu ihrem kurzen Haarschnitt wie auch zu ihrer Position als leitende Angestellte passte: einfache braune Wolle, einfach geschnitten. Sie war immer eine energische Frau gewesen, und die Vorbereitungen zu dieser Abendgesellschaft in ihrem Haus hatten ihre rastlose Unruhe offensichtlich nicht befriedigt. Jetzt war sie dauernd um den Tisch unterwegs, fragte jeden, ob er noch Champagner, Chablis oder Perrier wollte, Vollkornbrot oder weiße Brötchen, sah nach, dass auch ja jeder eine Serviette hatte. Als sie sich endlich setzte, meinte ich, einen allgemeinen Seufzer der Erleichterung zu hören.
    Der Abend war sorgfältig geplant. Cindy überließ nie etwas dem Zufall. Die Portionen waren genau kalkuliert, die Kochzeiten synchronisiert, der Weißwein war gekühlt, der Rotwein eben richtig temperiert. Die Brötchen waren warm,

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    die Butter war weich, die Gäste wurden jeweils zum passenden Zeitpunkt animiert, sich an einer Unterhaltung zu beteiligen, deren Inhalt jeder im voraus kannte. Es war nicht eins von den Abendessen, an denen man keinen Satz zu Ende reden kann, weil einem jeder ins Wort fallen will, an denen die Gäste zu lange bleiben, zu viel trinken, und, wenn sie sich endlich vor der Haustür voneinander verabschieden, ihre Adressen austauschen. Es war langweilig. Möglicherweise hatte Cindy bei ihrer Planung sogar berücksichtigt, dass an diesem Abend Gloria zum Mathematikunterricht ging (den sie nahm, um sich auf die Universität vorzubereiten), jedenfalls hatte sie mich auf diese Weise allein.
    Der Ton der Unterhaltung war von Anfang an sehr gesetzt, wie meistens, wenn Sir Giles Streeply-Cox als Ehrengast dabeisaß. Sir Giles war ein muskulöser alter Herr mit buschigen weißen Koteletten, wie sie die Physiognomien der Dickensschen Helden schmückten, und der dazu passenden blühenden Gesichtsfarbe. »Creepy Pox« (wie man ihn hinter seinem Rücken nannte, schleichende Pest) war zu seiner Zeit eine Geißel des Außenministeriums gewesen. Minister und Gesandte hatten vor ihm gebebt. Seit seiner Pensionierung lebte er in Suffolk und züchtete Rosen, während seine Frau Bilderrahmen für die Aquarellmaler der Gegend machte. Doch der Alte saß noch immer in genügend Ausschüssen, um sein Fahrgeld und die Spesen ersetzt zu kriegen, wenn er mal nach London kam.
    Es war das erste Mal, dass ich dem gefürchteten Creepy Pox persönlich begegnete, aber an diesem Abend war er die Liebenswürdigkeit selbst. Cindy wusste genau, wie er zu nehmen war. Sie ließ ihn die Rolle des bezaubernden großen alten Mannes von Whitehall spielen. Er spielte sie mit Bravour, aber das Ungeheuer, das hinter dem Lächeln und den

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