Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gekroent

Gekroent

Titel: Gekroent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
Vom Netzwerk:
Verzweiflung, und so hob sie die Arme und begann das Ritual mit einer Stimme, die von den Kristallwänden der Höhle widerhallte.
    „Adsagsona, ich rufe dich oben!“ Sie machte eine Pause und bildete mit ihren Armen das umgedrehte V. „Und unten.“ Mit geschlossenen Augen fuhr sie fort, kämpfte sich durch die vielschichtigen Emotionen, die Myrnas Leben und Tod in ihrem Inneren hervorgerufen hatten. „Unsere Besucher, Meisterbildhauer Kegan und Steinmeister Kai, haben uns die traurige Nachricht gebracht. Myrna, die Tochter von Eponas Auserwählter, ist gestorben. So bitten deine Priesterinnen und ich dich, hilf ihrer Seele, in das Reich ihrer Göttin zu gelangen, und hilf auch denen, die sie zurückgelassen hat. Wir bitten dich, finde einen Weg, ihren Schmerz und ihre Trauer zu lindern.“ Morrigan hielt die Augen immer noch geschlossen und kämpfte gegen die Welle der Eifersucht an, in der sie zu ertrinken drohte. Genau in diesem Moment beweinte Shannon vermutlich ihre Tochter – genauso wie sie in ihrer Kindheit endlose Nächte mit Blick auf Shannons Foto in ihr Kissen geweint hatte, weil sie sich nach einer Mutter sehnte, die sie niemals haben konnte. Doch die ganze Zeit über, all diese Nächte, war Shannon am Leben gewesen und hatte glücklich in Partholon gelebt und ihre echte Tochter geliebt.
    Mit einer Intensität, die ihren Körper erzittern ließ, wünschte Morrigan, ihre Großeltern hätten die Wahrheit nicht so lange vor ihr verborgen. Es war nicht fair. Wenn sie es früher gewusst hätte, hätte sie vielleicht auch früher einen Weg nach Partholon gefunden –und dann hätte sie eine Mutter haben können, auch wenn sie diese Mutter mit ihrem Spiegelbild hätte teilen müssen. Am Ende war es so, dass Myrna tot war und sie lebte. Shannon hätte immer noch sie, aber diese Entscheidung war ihr aus den Händen genommen worden. Wie ein Feuer, das mit dem alten, trockenen Holz der Vergangenheit gefüttert wird, entflammte Morrigans Zorn und ihre Frustration.
    Mit einem Mal füllte Birkitas Stimme die Stille, die sich unangenehm im Usgaran ausgebreitet hatte: „Oh gnädige Göttin, die Ruhe schenkt. Oh Herrin des Zwischenreichs und des Schoßes der Erde. Wir danken dir, dass du Myrnas Seele auf ihrer Reise zu den goldenen Toren der saftigen Weiden von Epona geleitest. Es wird gesagt, dass gekleidet in neues Fleisch eines Tages eine andere Mutter gebären wird, und in diesem kräftigeren Körper und helleren Geist wird die alte Seele erneut den irdischen Weg beschreiten. Wir wünschen, dass die Reise fröhlich wird für Myrna, der Tochter von Rhiannon MacCallan, Auserwählte von Epona und am meisten Geliebte ihrer Göttin.“
    Anfangs war Morrigan erleichtert, dass Birkita das Ritual übernommen hatte, doch als sie ihr zuhörte, wurde die Dankbarkeit von ihren anderen Gefühlen überlagert. Birkita wusste, dass Rhiannon Morrigans Mutter war, nicht die von Myrna, und doch hatte sie ausdrücklich ihren Namen genannt! Hätte sie es nicht einfach bei Eponas Auserwählter lassen können? Und warum musste sie jeden daran erinnern, dass sie die „am meisten Geliebte ihrer Göttin“ war? Ihre Mutter, die echte Rhiannon MacCallan, hatte diese Rolle den größten Teil ihres Lebens innegehabt. Grandpa hatte sogar gesagt, dass Epona ihr vor ihrem Tod alle Fehler verziehen hatte. Birkita sollte Rhiannon gegenüber mehr Respekt zeigen. Bevor die alte Hohepriesterin noch weitersprechen konnte, übernahm Morrigan wieder das Wort, und als sie es tat, spürte sie die Wut hell in sich brennen.
    Ja … deine Wut ist gut … rechtschaffen … flüsterte es verführerisch in ihrem Kopf.
    „Doch ich bete heute nicht nur für Myrna und ihre Mutter. Ich bete für jeden, dem dieser Tod Schmerzen zugefügt hat. Jeden, den die Ungerechtigkeit der Situation traurig macht.“ Morrigan presste die Augen fest zu und sprach mit großer Leidenschaft. Für sie hattendie Worte mehrere Bedeutungen. Sie hatten Tiefen und Schichten – verschiedene Stufen von Traurigkeit und Trauer, Schmerz und Verlust. „Hilf uns, in der Traurigkeit Glück zu finden, Bedeutung im Ungerechten, Licht in der Dunkelheit. Und vielleicht, nur vielleicht, kann ich ein Teil dieses Lichts im Dunkeln sein.“ Der Zorn, der seit Jahren in ihr schwelte, brannte lichterloh weiter. Sie öffnete die Augen und schleuderte ihre Hände nach vorne, als wollte sie alle ihre Gefühle auf den Findling werfen. „Hört mich, Geister der Kristalle! Lasst es Licht werden!“ Nicht

Weitere Kostenlose Bücher