Gekroent
ihr Bild im Spiegel an. „Ich hatte mit Myrnas Tod nichts zu tun, aber es ist nicht überraschend, dass es mich erschreckt, von ihrer Existenz und ihrem Tod zu erfahren. Gebete für ihre Seele … wenigstens etwas Positives, das ich tun kann.“
„Morrigan?“, rief Birkita von der anderen Seite des ledernen Vorhangs. „Darf ich eintreten?“
„Ja, ja, natürlich“, erwiderte Morrigan schnell.
Birkita betrat das Zimmer und sah sich um. „Seid Ihr allein? Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört.“
Morrigan zeigte auf ihr Spiegelbild und lächelte verlegen. „Ich habe nur Selbstgespräche geführt.“
Birkita sah ein kleines bisschen besorgt aus. „Sollen wir unser morgendliches Brot brechen?“
„Ich … ich denke, ich möchte erst die Gebete für Myrna sprechen.“ Morrigan atmete tief ein. „Nein, ich denke nicht, ich weiß, dass ich die Gebete für Myrna sprechen möchte, bevor ich etwas esse. Gestern habe ich vor dem Ritual des Dunklen Mondes auch fasten müssen. Dieses Ritual ist nicht weniger wichtig“, beendete sie den Satz mit der ruhigen Gewissheit, ihrer Intuition zu folgen.
„Ja, Mylady“, stimmte Birkita zu. „Wenn Ihr hier warten wollt, werde ich die Priesterinnen rufen.“
„Informiere bitte auch Kai und Kegan.“
„Das werde ich, Mylady.“
Nachdem Birkita gegangen war, setzte Morrigan die Betrachtung ihres Spiegelbildes fort. „Hast du überhaupt den Hauch einer Ahnung, was du hier tust?“
Du umarmst dein Schicksal …
Die Worte schienen in der kühlen, erdigen Luft der Höhle zu schweben. Morrigan versuchte, in ihnen die Stimme ihrer Göttin zu erkennen, aber das Einzige, dessen sie sich sicher war, waren ihre Zweifel.
Morrigan mochte die feierliche Betriebsamkeit, als alle ihre Priesterinnen (so nannten sie sich selbst!) zu ihr kamen, um sie für das besondere Gebetsritual in den Usgaran zu begleiten. Sie mochte auch den süßen Geruch der Lavendel- und Salbeizöpfe, die jede von ihnen trug. Er erinnerte sie an die Gerüche des Frühlings in Oklahoma, wenn sie auf der Veranda ihrer Großeltern gesessen und zugesehen hatte, wie die Hummeln den Nektar aus den Blüten der Mimosenbäume sammelten.
Es waren zwölf Priesterinnen, und sie gingen in Zweierreihen vor ihr her. Brina hielt sich an ihrer Seite. Wie eine Welle aus Duft und totaler Stille schritten sie langsam durch den Tunnel. Der lange Weg gab Morrigan ausreichend Zeit sich zu fragen, wo Birkita war, und um immer nervöser zu werden, je näher sie dem Usgaran kamen.
Der große Raum war leer bis auf Kegan, Kai und (Göttin sei Dank) Birkita. Die drei standen vor dem Selenitbrocken. Als die Priesterinnen die Höhle betraten, trat Birkita vor und verneigte sich ehrerbietig vor Morrigan. Die Frauen nahmen ihre Plätze ein, jeweils sechs zu beiden Seiten des Findlings. Dann drehten sie sich wie auf ein geheimes Kommando hin alle zu den brennenden Kohlebecken an den Wänden des Raumes um und zündeten die Zöpfe aus Lavendel und Salbei an, die sie in den Händen hielten. Nach einer oder zwei Sekunden bliesen sie die Flammen aus und stellten sich wieder um den großen Findling auf, während der Geruch von Räucherstäbchen in grauen, wirbelnden Wolken von den rauchenden Kräuterzöpfen aufstieg.
Morrigan war erneut erschrocken von der unglaublichen Schönheit des Zentauren. Es fiel ihr schwer, die Augen von ihm zu lassen. Kegan sah jung und exotisch aus, doch sein Gesichtsausdruck war angemessen ernst und traurig, und sie fragte sich, wie gut er mit Myrna bekannt gewesen war. Birkita hatte ihn einen „Schwerenöter“ genannt. Morrigan spürte, wie sie sich bei dem Gedanken sofortverschloss, und ermahnte sich. Myrnas Beziehung zu Kegan ging sie verdammt noch mal nichts an. Sie sollte sich auf die Gebete für die Seele des toten Mädchens konzentrieren, nicht auf die Dramen, die sich vielleicht in ihrem Inneren abgespielt hatten.
Morrigan hörte auf, Kegan anzustarren und ging weiter, bis sie direkt vor dem kristallenen Brocken stand, genau wie am Abend zuvor beim Ritual für den Dunklen Mond. An diesem Morgen war der Stein so dunkel, wie sie ihn zurückgelassen hatte. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Was konnte sie sagen, um der Seele von Myrna und denen, die sie zurückgelassen hatte, zu helfen, wie ihrer Mom Shannon, der Frau, die sie für ihre Mutter gehalten hatte, nach der sie sich gesehnt und die sie ihr ganzes Leben lang vermisst hatte. Plötzlich flammte Wut in ihr auf, befeuert von ihrer
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