Gelassene Eltern - starke und glueckliche Kinder - Eine Recherche wie das Leben mit Kindern gelingt
weiter.“
So planen Eltern die Elitekarrieren ihrer Kinder, zum Beispiel von Leon, vier Jahre alt, der Name ist schon Programm: Leon, der Löwe, der König der Tiere, oftmals auch Herrscher über das Familienleben wie bei einer Familie in Berlin-Prenzlauer Berg. Der Vater, 38 Jahre, Investmentbanker, die Mutter 34, Jahre, Rechtsanwältin, leben den Förderplan für ihren bezaubernden Sohn: Frühförderung durch FastrackKids, Besuch der renommierten Privatschule Phorms (monatliche Kosten 300 - 1000 Euro, abhängig vom Gehalt der Eltern), später Eliteinternat.
Leon ist eines der vielen Kinder, die wohl auf einen Bruder oder eine Schwester verzichten müssen. Ein Geschwisterkind sieht der Lebensplan der Eltern nicht vor. Dieser ist aber für Leon, funktioniert er optimal, vorgedacht: Vernünftiges Abitur, Besuch der European Business School in der Nähe von Wiesbaden (Kosten pro Studienjahr 10.000 Euro). Dafür erhält man beste Kontakte, ein Netzwerk für die sicherlich erfolgreiche berufliche Zukunft, eventuell bei McKinsey oder bei einer Bank, so wie Papa. Das ist ein Erfolgsweg nach Plan. Man investiert in Bildung und erzielt Rendite. Wenn der Junge vernünftig ist, heiratet er ein Mädchen aus der Upperclass und alles ist „geritzt“: Vielleicht sollte er noch rechtzeitig Golf spielen, weil sich ein einstelliges Handicap in den Kreisen ganz gut macht. Polo und/oder Reiten wäre im Grunde auch nicht schlecht, zumindest aber Segeln.
9 Muss dieser Förderwahn sein?
Es ist ein nettes Buch: „Gestatten Elite“. Geschrieben hat es die 26-jährige Julia Friedrichs. Sie gewährt Einblicke in die Welt dieser kleinen Leons und die kranken Auswüchse unserer Gesellschaft (Wilhelm Heyne Verlag, 2009). Geradezu herrlich summiert sie alle von ihr recherchierten Begebenheiten auf, wie Eltern ihre Zwerge mit geradezu hirnrissigen Fördermaßnahmen auf die Welt des 21. Jahrhunderts vorbereiten:
Da gibt es in Hamburg Englischsprachkurse für drei Monate alte Babys, die nicht einmal richtig sitzen können und in München Word-, Excel- und Powerpoint-Kurse für vier Jahre alte Kinder. In Berlin hat eine Filiale der amerikanischen Bildungskette „FastrackKids“, übersetzt „Überholspurkinder“, eröffnet. Für circa 500 Euro pro Monat lernen Zwei- bis Sechsjährige in einer schicken Zweizimmerwohnung in Steglitz Kommunikation, Mathematik, Astronomie, Literatur, und auch das Thema Lebensstrategien gehört zum Programm. Die Erklärung für diesen Irrsinn ist plausibel: Im Alter von drei Jahren sind die Kinder am lernfähigsten, da verknüpfen sich die Synapsen im Gehirn am optimalsten. Alles was man da nicht ins Hirn hineinbekommt, ist nur schwer nachzuholen und schließlich steht man ja im Wettbewerb mit anderen. Vor allem Eltern aus der Mittelschicht haben Angst, dass ihr Kind zum Verlierer und den Anforderungen der Arbeitswelt nicht gerecht werden könnte, wenn es einen „normalen“ Weg geht. Später geht der Wahnsinn in Privatschulen, mit Nachhilfe, in Problemfällen mit entsprechenden Therapien weiter. Ein Lob auf alle Eltern, die ihren Kindern Kindheit ermöglichen.
Leser der „Zeit“ beziehen diesbezüglich Stellung: (Ausgabe Nr. 33 vom 13. August 2009)
„Der Preis dieses elterlichen Wettrüstens ist sehr hoch. Kinder erleben sich schon sehr früh als Mangelware, die mit Hilfe von Kursen und Therapien „gut“ und „richtig“ werden sollen und dadurch Leistung, Lob und Anerkennung bekommen. Ihr engmaschiger Wochenplan lässt ihnen keine freie Zeit, das wertvolle Gefühl der Langeweile, das ein hervorragender Nährboden für Kreativität ist, hat keinen Raum.
Außerdem geht vielen Eltern ihre Intuition verloren. Geschichten fabulieren. Spontane Ideen leben: ein Picknick im Park, gemeinsam Ball spielen. Kuchen backen. Fantasiewelten aus Altpapier basteln. Badewannen-geplantsche bis zur Runzeligkeit. Das ist wichtig.“
Warum ist das so? Ich habe drei Vermutungen. Zum Teil habe ich den Eindruck, dass es mittlerweile, um im Bild eines Werbeslogans zu sprechen, bei vielen um den Dünkel „mein Haus, mein Boot, mein Auto, die hervorragende Bildung meiner Kinder“ geht. Oder ist es die „Bildungsangst“, die Eltern veranlasst, dass Kinder zur Generation Rücksitz mutieren, weil sie von einem Kurs zum anderen chauffiert werden? Kann es aber vielleicht auch daran liegen, dass Eltern mit ihren Kindern nicht mehr anzufangen wissen und der Weg der externen Rundumförderung nur eine Flucht davor ist,
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