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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Le Golf
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Wechsel, ein abstraktes Wertpapier wie der Scheck, und die Versicherungspraxis. Die Erfindung des Wechsels war nicht nur die Antwort darauf, dass die gestiegene Geldnachfrage nicht befriedigt werden konnte; die mittelalterlichen Kaufleute reagierten damit auch auf die saisonbedingten Schwankungen auf dem Geldmarkt. Grund hierfür waren vor allem die Messetermine, die Erntezeiten und -erträge, die Ankunfts- und Abfahrtstermine von Warenkonvois sowie die Finanz- und Schatzamtpolitik der Regierungen. Und wie wir bereits gesehen haben, hatte die Einführung der Feudalabgaben in Form von Geld anstatt von Naturalien und Diensten den herkömmlichen Kalender verändert: Der Michaelistag Ende September und Allerheiligen Anfang November waren nun Termine, an denen gigantische Summen bewegt wurden. Aber die Geldnachfrage variierte auch noch aus anderen Gründen. Ein venezianischer Kaufmann notierte Mitte des 15. Jahrhunderts:
    In Genua ist Geld im September, Januar und April teuer, weil dann die Schiffe auslaufen […] in Rom schwankt der Geldpreis entsprechend der Anzahl der vakanten Benefizien und der Reisen des Papstes, der den Geldpreis überall dort in die Höhe treibt, wo er sich aufhält […] in Valencia verteuert sich Geld im Juli und August wegen Weizen und Reis […] in Montpellier gibt es drei Messen, die das Geld sehr teuer machen […].
    Das Funktionsprinzip des Wechsels definierte der belgische Historiker Raymond De Roover wie folgt:
    Der Wechsel war eine Übereinkunft, die vorsah, dass der »Geldverleiher« […] dem »Geldleiher« eine Geldsumme bereitstellte […] und im Gegenzug ein fristbedingtes Zahlungsversprechen erhielt (Kreditoperation), allerdings an einem anderen Ort und in einer anderen Währung (Geldwechsel). Jeder Wechselvertrag brachte daher, eng miteinander verbunden, eine Kreditoperation und einen Geldwechsel mit sich.
    Hier ein Wechselgeschäft, das den Archiven des Francesco di Marco Datini aus Prato entnommen ist:
    Im Namen Gottes, 18. Dezember 1399, zahlen Sie bitte durch diesen ersten befristeten Wechsel an Brunacio di Guido und Co. […] die Summe von CCCCLXXII Pfund und X Sous in Barcelona. Die besagten 472 Pfund und 10 Sous, die einem Wert von 900 Talern entsprechen, bei einem Kurs von 10 Sous und 2 Denaren pro Taler, sind mir hier von Riccardo degl’ Alberti und Co. ausgezahlt worden. Zahlen Sie die Summe fristgerecht und ohne Nachlass und verbuchen Sie sie auf meine Rechnung.
    Gott beschütze Sie.
    Guiglielmo Barberi
    Gruß aus Brügge
    Von anderer Hand geschrieben heißt es dann:
    Angenommen am 12. Januar 1399 [1400].
    Auf der Rückseite steht:
    Francesco di Marco und Co., Barcelona
    Erster [Wechselbrief]
    Es handelt sich um einen gezogenen Wechsel (Tratte), den der Bezogene – die Zweigstelle der Firma Datini in Barcelona – an den Wechselnehmer – die ebenfalls in Barcelona ansässige Firma Brunacio di Guido – gezahlt hat, und zwar im Auftrag des Ausstellers oder Geldleihers – Guiglielmo Barberi, eines italienischen Kaufmanns in Brügge –, an den der Geldverleiher – das Bankhaus Riccardo degl’ Alberti in Brügge – 900 Taler, zu 10 Sous und 6 Denaren pro Taler, gezahlt hat.
    Guiglielmo Barberi, ein Exporteur flämischer Tuche, der ständige Handelsbeziehungen in Katalonien unterhielt, ließ sich von der in Brügge befindlichen Zweigstelle der Alberti, mächtiger florentinischer Kaufmannsbankiers, Geld in flandrischen Talern vorstrecken. In Erwartung des Verkaufs von Waren, die er in Brügge erworben und an seinen Geschäftspartner Datini in Barcelona gesandt hat, zieht er auf diesen eine Tratte, die an den dortigen Handelspartner der Alberti, das Handelshaus Brunacio di Guido und Co. in Barcelona, zahlbar ist. Es liegen also eine Kreditoperation und ein Geldwechsel vor. Die Zahlung wurde am 11. Februar 1400, 30 Tage nach Annahme (am 12. Januar 1400), in Barcelona getätigt. Diese Frist war die sogenannte Wechselfrist, die je nach Ort variierte – 30 Tage zwischen Brügge und Barcelona – und in der man die Echtheit des Wechsels prüfen und sich bei Bedarf das notwendige Geld beschaffen konnte.
    So entsprach der Wechsel vier verschiedenen Bedürfnissen des Kaufmanns und bot ihm vier Möglichkeiten:
1.
als Zahlungsmittel für ein Handelsgeschäft;
2.
als Überweisungsmittel für Geld zwischen Handelsplätzen, mit unterschiedlichen Währungen;
3.
als eine Kreditquelle und
4.
als finanziellen Gewinn, weil er die Kursdifferenzen und Kursschwankungen an den verschiedenen

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