Geld im Mittelalter
Handelsorten ausnutzen konnte. Tatsächlich war es möglich, dass ungeachtet der eigentlichen Handelsoperationen Wechselgeschäfte zwischen zwei und oft drei verschiedenen Handelsplätzen getätigt wurden. Dieser Devisenmarkt, der im 14. und 15. Jahrhundert florierte, bot Gelegenheit zu zahlreichen Spekulationen. 79
Dagegen scheint der mittelalterliche Kaufmann noch nicht die Praktiken der Indossierung und der Diskontierung gekannt zu haben, die sich wohl erst im 16. Jahrhundert entwickelten. Ein sehr einfaches Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs waren die Obligationen, das heißt einfache Zahlungsaufträge, die vor allem im Hanseraum verbreitet waren.
Der Risikobegriff hat unter einigen Mediävisten für Diskussionen gesorgt. Das Buch von Alain Guerreau zu diesem Thema erwähnte ich bereits, und auch, dass ich mich in diesem Punkt den negativen Aussagen des Autors nicht anschließen kann, auch wenn in den Köpfen der Menschen des Mittelalters Geld (als das, was wir heute darunter verstehen) nicht so eindeutig mit den heutigen Vorstellungen von Risiko oder Gefahr verbunden war. Mit so etwas wie Risikoabschätzung scheinen sich Geschäftsleute ab dem 13. Jahrhundert an solchen Handelsplätzen befasst zu haben, wo die Geldeinsätze sehr hoch sein konnten, insbesondere in Venedig. Jedenfalls mündeten die Überlegungen und praktischen Vorkehrungen auf diesem Gebiet, vor allem wenn es um die Gefahren des Meeres ging, dem Ort allen Unheils für die Menschen im Mittelalter, in die Entstehung von Kontrakten, die im 13. Jahrhundert securitas genannt wurden. Sie waren die Vorläufer von Verträgen, die erst im 14. und 15. Jahrhundert eine größere Verbreitung fanden und echte Versicherungsverträge waren. Man erlaube mir, an dieser Stelle eine Passage aus einer frühen Studie wiederzugeben. 80 Ein solcher Versicherungsvertrag sah etwa wie jener Eintrag vom 3. August 1384 aus, der folgendermaßen überschrieben war:
Das ist ein Register von Francesco di Prato und Co., ansässig in Pisa, in dem wir alle Versicherungen eintragen, die wir für Dritte abschließen. Gott möge uns helfen, dabei Gewinne zu machen, und uns vor Gefahren schützen.
Dieser Vertrag lautete:
Wir versichern Baldo Ridolfi und Co. zu einem Wert von 100 Goldflorins für die Wollladung auf dem Schiff des Bartolomeo Vitale, das sich auf dem Weg von Penisola nach Porto Pisano befindet. Von den 100 Florins, die wir gegen jedes Risiko absichern, erhalten wir 4 Goldflorins in bar, wie es die von Gherardo d’Ormaumo ausgestellte Akte beglaubigt, die wir gegengezeichnet haben.
Und weiter unten heißt es: »Das besagte Schiff hat am 4. August 1384 sein Ziel Porto Pisano erreicht und wir sind von den besagten Risiken befreit.« Der Begriff Risiko und der damit zusammenhängende Begriff Vorsorge ließen jedoch erst nach dem Mittelalter, mit der allmählichen Entstehung des Kapitalismus, präzise, rechtsgültige Urkunden aufkommen.
Vom Geldverleiher zum Bankier
Der Geldgebrauch leistete vor allem der Buchhaltung Vorschub, und zwar nicht nur ihren Methoden, sondern auch einem ganzen Instrumentarium an neu aufkommender Bürokratie. Die großen Kaufleute und Handelshäuser führten viele unterschiedliche Rechnungsbücher, darunter auch ein »Geheimbuch«, von dem weiter oben bereits die Rede war, in dem der Wortlaut des Sozietätsvertrags niedergelegt war, die Kapitalbeteiligung der Teilhaber, Angaben, die es jederzeit erlaubten, die Stellung der Teilhaber in der Gesellschaft zu prüfen, sowie die Verteilung von Gewinnen und Verlusten. Trotzdem sollte man nicht meinen, dass die Buchführung, wiewohl sie ein bemerkenswertes Niveau ihrer Handhabung erreichte, als Beleg für eine Kultur herhalten kann, in der Geld eine wichtige Rolle spielte. Das Gegenteil ist der Fall, im Mittelalter blieben die Techniken des Geldgebrauchs sehr begrenzt: auf das gesellschaftliche Umfeld, in dem sie genutzt wurden, ebenso wie hinsichtlich des wissenschaftlichen Kenntnisstandes, der hätte erreicht werden können. Zweifellos haben die großen mittelalterlichen Kaufleute eine bemerkenswerte Technik der Führung von Handelsbüchern entwickelt – die doppelte Buchführung –, doch diese ausgeklügelten Praktiken auf einem Gebiet, das wir unter dem Begriff Geldwirtschaft fassen, waren bloß punktuelle, marginale Erscheinungen, die der Mehrheit der mittelalterlichen Gemeinschaft sehr fern lagen. 81 Allenfalls ist zu erkennen, dass Geld, dessen Rolle im Mittelalter im Übrigen
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