Geld im Mittelalter
gereichte nicht zum Nutzen der Neuankömmlinge oder Neureichen, sondern zum Vorteil der Mitglieder einer Elite, die bereits über gute Machtpositionen und einen guten Vermögensstand verfügte.«
Einen weiteren Einblick in die städtischen Finanzen und das Fiskalwesen gibt die Untersuchung von Marc Boone über die flämischen Städte von Burgund im ausgehenden Mittelalter. 89 Im 14. und 15. Jahrhundert war die Bevölkerungsdichte in Flandern außerordentlich hoch. Die Grafschaft wurde, den französischen Teil ausgenommen, durch drei Großstädte beherrscht – Gent mit ca. 64000, Brügge mit ca. 45000 und Ypern mit rund 28000 Einwohnern –, hinzu kamen noch 50 kleine und mittelgroße Städte mit bis zu 10000 Einwohnern, sodass die durchschnittliche Bevölkerungsdichte für die gesamte Grafschaft 77,9 Einwohner pro km 2 betrug. Ein Merkmal dieser Städte war, dass sie große Zentren der Tuchindustrie (für Luxus- und Alltagsware gleichermaßen) und zugleich Mittelpunkte eines regen Handels waren, den ansehnliche Niederlassungen ausländischer Kaufleute sicherstellten. Bei der Verbreitung und dem Weiterversand der Produkte spielte Brügge bis Mitte des 15. Jahrhunderts eine maßgebliche Rolle, später Antwerpen. Weit davon entfernt, durch die adelige Oberherrschaft zu verarmen, erschloss sich die Stadt, indem sie sich zum Hauptkreditgeber der Grafen machte, eine wichtige Grundlage ihres Reichtums. Das Eintreiben von Steuern sicherten sich nach und nach Pächter, die zum städtischen Adel gehörten und die professionellen Kreditgeber, Pfandleiher, Wucherer, Lombarden und Wechsler aller Couleur aus dem Geschäft verdrängten. Zudem durften Letztere der Stadt keine Kredite vergeben. Das Patriziat stellte auch häufig die administrativen Belange der Grafschaft sicher. So wurde etwa die Weinsteuer als wichtigste Steuer im Jahr 1410 durch eine Pachtgesellschaft eingezogen, der einige Mitglieder der alteingesessenen Genter Patrizierfamilie Utenhove, die schon mehrere Steuereinnehmer und Vögte gestellt hatte, und der gewiefte Jurist Simon de Fourmelles angehörten, der in Diensten der burgundischen Herzöge Johann ohne Furcht und Philipp dem Guten gestanden hatte und nun dem Rat von Flandern vorstand, der die höchste Gerichtsbarkeit in der Grafschaft war.
Finanzen und Fiskalwesen der Staaten: Der Heilige Stuhl
Neben den Städten waren es die im Lauf des 14. und 15. Jahrhunderts sich konstitutionell festigenden Staaten, die einen wachsenden Geldbedarf zeigten und sich an einer besseren Organisation ihrer Finanzen und ihres Fiskalwesens versuchten. Steuereinnahmen entwickelten sich zur Hauptfinanzierungsquelle für die Aktivitäten der Zentralmacht – noch vor den direkten Einkünften aus den Besitzungen des Fürsten. Als Beispiele werde ich wie für das lange 13. Jahrhundert den Kirchenstaat, der bekanntlich Vorreiter auf diesem Gebiet war, und Frankreich anführen. Über die Finanzen des Kirchenstaates sind wir gut unterrichtet, zumal sie der Gegenstand einiger breit angelegter und vortrefflicher Untersuchungen durch Bernard Guillemain und vor allem Jean Favier gewesen sind. 90 Als der Papst sich in Avignon niederließ, nahm er seltsamerweise eher die Züge eines mächtigen Fürsten denn die eines Kirchenoberhaupts an, das er in Rom und Italien gewesen war, bevor ihn die politische Lage zur Flucht veranlasste. Ab dem ersten avignonesischen Papst, Klemens V. (1305–1314), führte das königsgleiche Auftreten der Päpste zu einem Anstieg der Ausgaben des Kirchenstaates. Innerhalb kürzester Zeit schwoll der päpstliche Hof auf 400 bis 500 Personen jeden Ranges an, 100 mehr als in Rom unter dem letzten römischen Papst Bonifatius VIII. Wie Bernard Guillemain präzise dargelegt hat, gab Klemens V. in seinem vierten Amtsjahr, das sehr gut dokumentiert ist, insgesamt 120000 Florins aus, davon 30000 für seinen Palast: Bedienstete, Nahrungsmittel, Wachs, Holz, Heu, Wäscherei, Unterhaltung der Pferde, Almosen. Zu den nicht unmittelbar hauswirtschaftlichen Ausgaben zählten die Kosten für Pergament – und auch schon Papier – sowie die Bezahlung der Hauskapläne, Notare und Boten. Die Einnahmen basierten auf den lehnsherrlichen Rechten des Heiligen Stuhls: Der König von Neapel und andere italienische Grundherren hatten den Census, die skandinavischen Könige den Peterspfennig zu zahlen. Doch mit der Entrichtung haperte es trotz der häufigen Exkommunizierungen. Die von den neuen Bischöfen und Äbten nach ihrer Wahl oder
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