Geld im Mittelalter
auf ihren Reisen kostenlos verpflegt werden mussten. Aber nicht nur, dass die avignonesischen Päpste die Erhebung der Prokurationen wieder einführten, diese mussten zur Hälfte an den Heiligen Stuhl abgeführt werden. Wie die meisten steuerlichen Anhebungen oder Neuerungen des Papsttums wurde auch diese Rücklage, die Jean Favier zufolge eine Unterschlagung war, vom Heiligen Stuhl mit den durch die Bekämpfung der Häresie anfallenden Kosten begründet; dabei war die Häresie im 14. Jahrhundert weniger virulent als im Jahrhundert davor. Damit wird deutlich, wie dem Papsttum Geld als Motiv diente, um in der Welt ein irreführendes Bild der religiösen Wirklichkeit und der Rolle der »römischen« Kirche aufrechtzuerhalten. Kreuzzüge und Ketzerei wurden in der Vorstellungswelt der Christen wach gehalten, um den Geldhunger der Kirche zu stillen.
Ungeachtet der Kosten für die Errichtung des Papstpalastes und für die militärischen Unternehmungen in Italien wurde das avignonesische Papsttum von der Gesellschaft des 14. Jahrhunderts als sehr reich eingeschätzt. Nicht nur die Päpste, auch seine prominentesten Mitglieder, die Kardinäle und Prälaten, bereicherten sich in dieser Situation. Darüber hinaus spielten sie – in einer Gesellschaft, in der die Verschuldung immer größere Ausmaße annahm – eine nicht unerhebliche Rolle als Geldverleiher, tendierten aber mehr als andere Geldverleiher der Christenheit aufgrund der Kirchentradition dazu, neben Geldmitteln auch Objekte aus Kirchenschätzen einzusetzen, und erhielten im Allgemeinen Goldschmiedearbeiten als Sicherheit. Jean Favier nennt mehrere Beispiele, von denen ich hier nur eines anführen möchte: Kardinal Guillaume d’Aigrefeuille erhielt 1373 als Sicherheit zwei goldene, mit Smaragden, Perlen, Saphiren und Kameen verzierte Kruzifixe, Silbergeschirr, Kandelaber und sogar eine cathedra aus Silber, die einst Papst Klemens VI. gehört hatte – mit anderen Worten 30 Goldmark und 1600 Silbermark.
Eines der größten Probleme, dem sich das Papsttum gegenübersah, war der Transfer der Kollektengelder aus der gesamten Christenheit nach Avignon. Materialtransporte auf dem Landweg waren aufgrund der in weiten Teilen Europas herrschenden Unsicherheit sehr riskant, gerade im 14. Jahrhundert, als es besonders viele marodierende und plündernde Söldner gab. Ratsamer erschien es, die Dienste von Bankiers in Anspruch zu nehmen, zumal das Exil des Papsttums in Avignon mehrere Banken in die Stadt gezogen hatte. Doch hier wirkten sich zwei weitere Umstände ungünstig aus. Zum einen war die Christenheit noch nicht mit der Bankenpraxis vertraut; das Netz der Bankenplätze, die regelmäßig Wechselgeschäfte vornehmen konnten, war sehr weitmaschig, außerhalb Italiens waren das nur London, Brügge, Paris, Montpellier, Barcelona und Lissabon. Zum andern fürchteten sich die Banken vor dem Konkurs infolge übermäßiger Leihaktivitäten, wie dies in den Jahren 1342 bis 1346 geschehen war. Nur die Finanzbeziehungen zu Italien funktionierten gut, insbesondere die Finanzierung der italienischen Unternehmungen des avignonesischen Papsttums.
Über den gesamten Zeitraum seines Bestehens betrachtet, verzeichnete das avignonesische Papsttum einen enormen Zuwachs seiner fiskalischen Einnahmen (wenngleich die Wachstumskurve im Zickzack verlief): Jährlich waren es 228000 Florins unter Johannes XXII. (1316–1334), 166000 unter Benedikt XII. (1334–1342), 188500 unter Klemens VI. (1342–1352), 253600 unter Innozenz VI. (1352–1362), 260000 unter Urban V. (1362–1370) und schließlich unter Gregor XI. (1370–1378) sage und schreibe 481000 Florins.
… und die französische Monarchie
Das zweite Beispiel, das ich kurz vorstellen möchte, betrifft die Finanzen der französischen Monarchie. Die Bemühungen der französischen Könige im 14. und 15. Jahrhundert um die Einführung dauerhafter Steuern erfolgten Hand in Hand mit dem Versuch einer Machtrationalisierung, der nicht wirklich erfolgreich war. Die Institutionen, die die Könige einrichteten, zeigten eine gewisse Effizienz bei der Kontrolle der unregelmäßigen oder außerordentlichen Abgaben. Das Schatzamt, das sich ab 1317 endgültig im Louvre befand, wurde durch vier Schatzmeister verwaltet, denen zwei Gehilfen zur Seite standen. Seit 1443/45 hatte jeder Schatzmeister sein eigenes Ressort: Langue d’Oïl, Langue d’Oc, Outre-Seine und Normandie, später Guyenne, Burgund, Picardie und Artois. Sie bereisten ihre Region
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