Geld im Mittelalter
darf, wie Marc Bloch hervorgehoben hat, nicht vergessen, dass die Eigentümer von Kunstwerken bei Bedarf oder auch sonst keine Hemmungen hatten, diese wegen des Edelmetalls einschmelzen zu lassen, ein für das Wirtschaftsleben unbedeutender Vorgang, der in erster Linie das fehlende Interesse der Menschen im Mittelalter für ein Schaffen deutlich macht, das nur als Handarbeit angesehen wurde. Sicher ist, dass das Mäzenatentum umso bedeutender wurde, je mehr wir uns der Renaissance nähern; das ging oft sogar so weit, dass die von uns Bankiers genannten und die Italiener unter ihnen allemal – wiewohl die Wirtschaftsaktivitäten noch nicht die vorkapitalistischen Züge aufwiesen, die man ihnen gern zuschreibt – ihr Ansehen nicht mehr in Geschäftsgewinnen begründet sehen wollten, sondern in der Politik oder im Mäzenatentum. Die Medici sind zweifellos das leuchtendste Beispiel dafür: Während der Bankier Giovanni di Bicci de’ Medici, der 1429 starb, mit einem Marmorsarkophag in Santa Maria Novella das erste prunkvolle Grabmal der Familie bekam, war sein Urenkel Lorenzo de’ Medici (1449–1492) schon nicht mehr als Bankier bekannt, sondern als Politiker und Mäzen.
Ein Markt für Luxuswaren
Vielleicht mehr noch als das Mäzenatentum sorgte die Einkehr von Luxus für einen wachsenden Geldbedarf. Wie schon einmal zuvor suchte man die Prachtentfaltung gesetzlich einzudämmen, allerdings ohne großen Erfolg. In Italien und insbesondere in Florenz wurden damals in großer Stückzahl sogenannte cassoni hergestellt, Schmuckkästchen oder Ehetruhen, denen die Jungvermählte ihre Aussteuer und ihre Geschenke anvertraute. Das 15. Jahrhundert war aber vor allem die Epoche der Tapisserie; Flandern und die Niederlande waren mit Werkstätten in Arras, Lille, Brüssel und anderen Städten in diesem Handwerk überlegen. Entgegen allen Anstrengungen der Kirche und besonders der reformierten Bettelorden – der Observanten – trugen zudem neue Denkweisen und literarische Vorlieben zur Entwicklung des Luxus bei; das Ende des Mittelalters war die Zeit der ersten Humanisten. Ungeachtet der Verbreitung des Luxus und der entsprechenden Geisteshaltung erlebte das 15. Jahrhundert eine neue Blütezeit jener im späten 13. Jahrhundert aufgekommenen Luxusgesetze, als ein neues Milieu von Liebhabern von Tand entstand, das weniger aus Adligen als aus Großbürgern und vor allem deren Ehefrauen bestand. Wenn man sich mit Geld beschäftigt, gelangt man immer auch in die Sozialgeschichte. Im 15. Jahrhundert wurden mit den Luxusgesetzen in aller Regel keine besonderen sozialen Schichten anvisiert, wie dies bestimmte Verordnungen der italienischen Städte im 14. Jahrhundert noch getan hatten, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Einen besonders interessanten Fall stellt die Gesetzgebung des Herzogs Amadeus VIII. von Savoyen dar, der in den Wirren der Endphase des Großen Schismas von 1439 bis 1449 als Felix V. Gegenpapst war. Amadeus’ Statuten von 1430 spiegeln vermutlich ganz gut die Philosophie der Regierungen, Könige, Fürsten und Kommunen wider, die ähnliche Regeln erließen. Ihr Anliegen bestand in weit mehr als der Drosselung der Ausgaben und des Geldgebrauchs: Sie waren Verhaltensmaßregeln für die Untertanen eines Fürsten oder eines Königreichs. So wurde beispielsweise die Abschaffung der Prostitution dekretiert oder die Gotteslästerung ausdrücklich verboten, weil man die Heimsuchungen der damaligen Zeit – Pest, Stürme, Erdbeben, Hungersnöte – darauf zurückführte. Die Einschränkungen, denen der Geldgebrauch unterworfen werden sollte, wurden entsprechend der feudalen Hierarchie mit dem Herzog an der Spitze und den Bauern am unteren Ende gestaffelt. Die Kleidungsreglements, die das Kernstück der Luxusgesetze bildeten, betrafen nicht nur die Art der Kleidung, sondern auch die Form, die Stoffqualität, die Accessoires sowie Pelze und natürlich die Kopfbedeckung. Unter scharfer Beobachtung standen das Geschmeide sowie Gold und Silber. Interessanterweise wurden Dinge, die wir heute der Mode zuordnen würden, damals unter moralischen Gesichtspunkten gewertet, und am spannendsten dürfte sicherlich sein, dass die Länge der Kleidung von der Stellung innerhalb der Gemeinschaft abhing: Länge ging vor Kürze. Das gesamte Leben der Savoyer, zumal ihre Hochzeiten, Beerdigungen und Feste, wurde durch diese Verordnungen bestimmt und kontrolliert. Ganze zwei Kapitel widmeten sich den Strafen und Bußgeldern, die bei
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