Geld im Mittelalter
frühmittelalterlichen Spanien sprechen kann, wenn man klarstellt, dass es sich dabei um einen auf lokaler wie auf regionaler Ebene sehr fragmentierten Markt handelte und dass persönliche, nichtökonomische Faktoren (Klientelismus, zumeist Familienbande) eine Rolle spielten (S. 182). In seiner ausgezeichneten Untersuchung stellt François Menant heraus, dass die Thematisierung eines Marktes für Grund und Boden in den verschiedenen europäischen Geschichtsschreibungen erst im Gefolge der großen Studien über die Ökonomie der ländlichen Gesellschaft in Frankreich (Georges Duby, Robert Fossier, André Chédeville) und England (Michael Postan) aufkam und dass sie außerdem in England unter dem Einfluss der Theorien Č ajanovs stand, während die französischen und italienischen Mediävisten davon unberührt blieben, mit Ausnahme des englischen Historikers Chris Wickham, der sie in seine Studien zur mittelalterlichen ländlichen Ökonomie in Italien einfließen ließ. In Frankreich befassten sich ausschließlich Historiker aus dem Umfeld der Zeitschrift Annales und in Italien Vertreter der Microstoria wie der Historiker Giovanni Levi mit der Thematik. In Spanien fand sie erst spät Eingang in die Forschung, wobei man hier eher ihre Grenzen herausarbeitete und die Formel »Geschäft ohne Markt« prägte.
Emmanuel Grelois, der die Problematik der Landtransaktionen in der Auvergne untersucht hat, stellt zunächst fest, dass es bei den Geschäften weniger um das Land selbst ging als um die mit dem Land verbundenen Einkünfte und Renten, des weiteren, dass es selbst bei durchschnittlich großen Flächen enorme Preisspannen gab, und er schlussfolgert, dass Grundeigentum im 15. Jahrhundert trotz des hohen Monetarisierungsgrades der Wirtschaft nach wie vor eine Wertreserve darstellte.
In seiner Schlussbemerkung hebt Chris Wikham dreierlei hervor, nämlich dass der Handel mit Landbesitz stets wirtschaftliche Interessen mit sozialen verband, diese Verbindung ein Charakteristikum des Feudalsystems war – der große polnische Historiker Witold Kula hat dies in seiner »Wirtschaftstheorie des Feudalsystems« 105 für eine andere Epoche und eine entlegene Region (Polen im 16. bis 18. Jahrhundert) schlüssig dargestellt – und dass dieses System, wie homogen auch immer seine Beschaffenheit im mittelalterlichen Europa war, von Ort zu Ort und von Region zu Region zahlreiche Unterschiede hervorbrachte, was den Markt für Grund und Boden anbelangt.
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Humanismus und Mäzenatentum und ihr Verhältnis zum Geld
W ie wir gesehen haben, hat sich die Kirche, die seit dem Frühmittelalter die größte Wirtschaftsmacht Europas war, mit der aufkommenden Geldwirtschaft recht gut arrangiert, dies vor allem ab dem 13. Jahrhundert. Wir haben dem Verhältnis der Bettelorden und insbesondere der Franziskaner zum Geld besonderes Augenmerk geschenkt, weil man, wo es um die Funktion und die Bedeutung des Geldes geht, auf diese religiösen Bewegungen seit ihrem Auftauchen im 13. Jahrhundert und noch in der modernen Geschichtsschreibung in heftigen Polemiken Rekurs nimmt. Aber bei allen Unterschieden zwischen den verschiedenen Kirchenkreisen und bei allem Wandel in den Einstellungen der Kirche im Allgemeinen, des Heiligen Stuhls im Besonderen sowie in der Umgebung der Klöster und Mönchsorden lässt sich alles in allem sagen, dass das Christentum, welches in all diesen verschiedenen Institutionen der Kirche verkörpert war, eine mehr oder weniger große Zurückhaltung, wenn nicht gar Abneigung gegenüber Geld an den Tag legte. Die Kirche als oberste Machtinstanz in allen Bereichen regte mit ihrer argwöhnischen Einstellung gegenüber Geld nicht nur die Denker an, sondern alle Menschen im Alltagsleben, und das mindestens bis ins 14. Jahrhundert hinein. Später, im 14. und 15. Jahrhundert, vollzog sich in der Einstellung der europäischen Christen zum Geld ein Wandel – für einige Historiker sogar eine richtiggehende Wende. Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Definition des »Reichen« zu jener Zeit grundsätzlich wandelte und ob Reichtum mit Geld gleichgesetzt wurde; abstreiten würde ich diesen Wandel allerdings nicht bei einer kleinen kulturellen und gesellschaftlichen Elite, die am Ende des Mittelalters in Erscheinung trat und Humanisten genannt wurde. Ich denke, dass der Wandel der Einstellung gegenüber dem Kaufmann der wichtigste Ausgangspunkt für diese psychische wie kulturelle Wende war. Schon früh hatte die Kirche den Kaufmann, der
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