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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Le Golf
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Nichtbeachtung drohten. Womöglich hatte die Strenge der Maßregeln, selbst wenn sie nicht eins zu eins umgesetzt wurden, auf lange Sicht gesehen eine Veränderung der Mentalität der Savoyer und der Einwohner der heutigen Westschweiz zur Folge – ebnete Amadeus VIII. mit seinen Luxusgesetzen Johannes Calvin den Weg? 114
    Zu den Kunsterzeugnissen, die das Entstehen eines Marktes für Luxusprodukte im 14. und 15. Jahrhundert am deutlichsten anzeigen, gehören die Pariser Elfenbeinschnitzereien, die Alabasterarbeiten aus Nottingham und die Tapisserien von Arras. Jacques Cœur etwa handelte mit Kunst. In Florenz schrieben die Großbürger einen Wettbewerb für die Ausschmückung der Tore des Baptisteriums aus. Allerdings schürte der äußere Prunk zuweilen die Volkswut, eine Haltung des revolutionären Vandalismus, die zweifellos von dem Dominikanermönch Savonarola am spektakulärsten verkörpert wurde. Diese Prachtentfaltung, die Vorliebe für exotische, seltene und teure Produkte, zeigte sich aber auch in der Ernährung, wo sie mit den allgemeinen Veränderungen im 14. und 15. Jahrhundert und dem Übergang von der Alltagsküche zur Gastronomie einherging. Gewürze waren nicht mehr nur etwas für den Gaumen der Fürsten, der gastronomische Luxus erfasste breitere Schichten der Gesellschaft. Das ausgehende Mittelalter war feinschmeckerisch und scheute keine Kosten, um die kulinarischen Bedürfnisse zu befriedigen. Zucker und Früchte aus dem Mittelmeerraum zählten zu den ausgefallensten Produkten dieses neuen, kostspieligen Geschmacks.
    Mitten zwischen diesen neuen Ausgabenposten des 14. und 15. Jahrhunderts stand die Wallfahrt ins Heilige Land, für fromme Christen nach der Rückeroberung Palästinas durch die Muslime der Ersatz für den Kreuzzug. Ein oft ganz wesentlicher Aspekt des Kreuzzugsgedankens war das Bestreben, sich mit den Mitteln des Krieges (dies umso mehr, als der Kreuzzug heilig war) fremdes Land und Güter anzueignen. Die Wallfahrt aber bedeutete in finanzieller Hinsicht das genaue Gegenteil: Sie war geldaufwendig. Lesen wir, was der italienische Pilger Mariano da Siena notierte, der 1431 im Heiligen Land war:
    Man sollte keine Wallfahrt unternehmen, wenn man kein Geld hat. Wer dies trotzdem tut, wird entzweigehauen, oder andere Pilger müssen für ihn bezahlen, oder er muss unserem Glauben abschwören. 115

Schluss
    K arl Polanyi zufolge besaß die Ökonomie in der europäischen Gesellschaft bis zum 18. Jahrhundert keine Spezifität. Sie war in das »riesige Netz der gesellschaftlichen Beziehungen eingebettet«, wie er es ausdrückte. 125 Ich denke, dass diese Annahme für die Konzeptionen des Mittelalters gilt, in denen – abgesehen von der auf Aristoteles zurückgehenden Hauswirtschaft – der Wirtschaftsbegriff keinen Platz hat. Dass das auch auf die Geldwirtschaft zutrifft, hat dieser Essay zu zeigen versucht. Geld in dem hier verwendeten Wortsinn ist schwer zu definieren. Wie Albert Rigaudière so schön sagt, entgleitet jedem, der sich an einer Begriffsbestimmung versucht, seine Bedeutung. Die Einträge in den einschlägigen Wörterbüchern zeigen, wie schwer eine genaue Definition von Geld ist. So ist im Petit Robert (2003) zu lesen: »alle Arten von Zahlungsmitteln und i. w. S. alles, was für ein Zahlungsmittel steht: Kapital, Fonds, Vermögen, Bargeld, Erträge, Ressourcen, Reichtum; die vielen umgangssprachlichen Bezeichnungen nicht zu vergessen, etwa Kohle, Knete, Zaster, Kies, Moneten, Pinke, Piepen, Kröten, Moos usw.«.
    Dass es keinen mittelalterlichen Geldbegriff gab, erklärt sich durch das Fehlen eines spezifischen Bereichs »Ökonomie« sowie fehlende diesbezügliche Thesen oder Theorien. Historiker, die den scholastischen Theologen oder den Bettelmönchen, vor allem den Franziskanern, ökonomisches Denken andichten, begehen einen Anachronismus. Im Allgemeinen verhielten sich die Menschen im Mittelalter in den meisten Bereichen des individuellen und gemeinschaftlichen Lebens in einer Weise, die uns fremd ist und den Historiker von heute zwingt, auf die Anthropologie zurückzugreifen, um Licht in seine Arbeit zu bringen. Wie »exotisch« das Mittelalter ist, zeigt sich besonders auf dem Gebiet des Geldes. Die allgemeine Vorstellung, die wir heute davon haben, muss aufgegeben werden angesichts der Realität einer Münzvielfalt im Mittelalter, das einen bemerkenswerten Aufschwung der Münzprägung, des Geldgebrauchs und des Geldumlaufs erlebte. Da wir bis zum 14. Jahrhundert über

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