Geld im Mittelalter
zunächst unweigerlich zur Hölle verdammt war, in ihren Schoß aufgenommen: in erster Linie durch die Anerkennung seines Nutzens sowie unter der Bedingung, dass er bestimmte Werte respektierte, die im 13. Jahrhundert alle unter dem Primat der Gerechtigkeit standen. André Vauchez hat sehr schön aufgezeigt, dass der zu Beginn des 13. Jahrhunderts notwendig gewordene, langsame Prozess der Rehabilitierung des Kaufmanns – als Beleg dafür wird normalerweise die Heiligsprechung des 1197 verstorbenen Tuchhändlers Homobonus von Cremona im Jahr 1199 angesehen – der Weg war, auf dem sich der Sinneswandel der Kirche hin zur Anerkennung der »Geschäfte« und folglich mehr und mehr des Geldes vollzogen hat. 111
Ein erster Humanismus
Als nicht immer eindeutig erweist sich die Grenze zwischen der völligen kirchlichen Verdammung sämtlicher mit den Handels- und Bankpraktiken verbundenen und als Wucher eingestuften Tätigkeiten und der Verdammung solcher Praktiken, die der avaritia , der Sünde der Habsucht (die genau genommen seit dem 12. Jahrhundert offiziell zu den sieben Todsünden zählte), zugerechnet wurden; doch ganz allmählich wich diese Haltung einer größeren Toleranz und mündete bei einigen Vorhumanisten in Lobreden auf den Reichtum einschließlich des Geldreichtums.
Nicole Bériou hat aufgezeigt, dass im 13. Jahrhundert unter den Predigern verschiedene »Varianten« der Liebe zum Geld kursierten. 112 Dabei wurde der »Geist der Gewinnsucht« auf verschiedene Weise an den Pranger gestellt, teils mit traditionellem Bildgut, so zum Beispiel der Mantelteilung des heiligen Martin, häufiger durch Gleichsetzung des Wuchers mit Diebstahl, ein Vergleich, den schon der heilige Ambrosius verwendete und der in der Mitte des 12. Jahrhunderts in das Decretum Gratiani Eingang fand. Oftmals verdammten die Prediger die »schlechten Reichen« unter Hinweis auf das Unrecht, das sie den Armen, jenen neuen Helden des Christentums im 13. Jahrhundert, antaten. Wucherer wurden als Mörder der Armen hingestellt. Dennoch »kam es den Predigern so wenig wie den Theologen in den Sinn, die Wirtschaft als eigenständigen Untersuchungsgegenstand zu behandeln«, wie Nicole Bériou unterstreicht. Ihr Ziel war ein religiöses, dabei stellte sich die Gewinnsucht als eine Sünde oder zumindest eine Schwäche der menschlichen Natur dar. Das Leben eines Christen ließ sich nicht am Maßstab des Geldes messen; die Liebe Gottes gab es umsonst, das war es, was die Prediger in diesem Jahrhundert hervorhoben.
Im Verlauf des 14. Jahrhunderts kam die Einstellung der ersten Humanisten gegenüber Geld nicht unmittelbar zum Ausdruck, ja, Patrick Gilli zufolge teilten die Humanisten jener Epoche im Allgemeinen sogar die ablehnende Haltung der schärfsten Kritiker des Geldreichtums unter den Franziskanern. Ihre Positionen blieben oftmals hinter der vergleichsweisen Toleranz eines Thomas von Aquin zurück, der dem Reichtum, auch dem monetären, einen wenngleich minimalen, so doch realen Wert im Hinblick auf die Vervollkommnung des Menschen auf Erden beimaß. Dieser feindseligen Einstellung gegenüber Geld begegnet man sehr deutlich bei Petrarca, in dessen Traktat De remediis utriusque fortunae , das er 1355 bis 1365 verfasste, zu lesen ist: »Die Liebe zum Geld zeugt von einem armseligen Geist.« Ganz oben auf der Liste der Denker der Antike, auf die sich diese Humanisten gerne besannen, stand der Stoiker und Geldfeind Seneca. Doch dann zeichnete sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Wende ab. 1415 wurden durch den venezianischen Humanisten und Patrizier Francesco Barbaro in seinem Traktat De re uxoria (dt. Das Buch von der Ehe ) zum ersten Mal die Wohltaten des Reichtums für die Menschen ganz offen geltend gemacht. Die eigentliche Wende in der Einstellung der Humanisten gegenüber Geld vollzog sich aber nicht in Venedig, obwohl das venezianische Milieu bei dieser Entwicklung eine wesentliche Rolle spielte, sondern in Florenz. Leonardo Bruni, Philosoph und Staatssekretär der Republik Florenz, rühmte den Reichtum in seinem Vorwort zur lateinischen Übersetzung des pseudo-aristotelischen Werkes Oeconomica [Über Hauswirtschaft], die er Cosimo de’ Medici widmete (1420/21). Die Höhepunkte dieser neuen Mentalität finden sich im Dialog De avaritia (um 1429) des Florentiners Gianfrancesco Poggio Bracciolini und vor allem in den vermutlich 1437–1441 entstandenen Libri della famiglia des bedeutenden Architekten und Kunsttheoretikers Leon Battista
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