Gelegenheit macht Diebe - Nicht alles, was schwul ist, glänzt (German Edition)
es wohl wäre, so jemanden zu kennen. Ich hatte die Vorstellung total schrecklich gefunden. Bei mir hätte bestimmt so ein Fremdschämen eingesetzt, weil ich es einfach nur peinlich gefunden hätte, mit solchen Leuten zu tun zu haben, selbst wenn ich sie auf den Tod nicht hätte ausstehen können und nur in dem Sinne mit ihnen zu tun gehabt hätte, mal in derselben Klasse gewesen zu sein.
Und jetzt ... wenn ich über Marco geredet hätte, hätte man bestimmt rausgehört, wie stolz ich auf ihn war. Ich hätte mich sicher total überlegen gefühlt ... aber warum eigentlich? Es war ja nicht so, dass er zu allen anderen böse war und ich war der glücklich Auserwählte, zu dem er gut war. Zu mir war er ja auch das totale Arschloch ... Trotzdem, es war, als wäre ich der Einzige, der ihn ein bisschen geknackt hatte, und auch der Einzige, den er gerne näher an sich ranlassen würde ... wenn es sich irgendwann mal ergeben würde.
Bis zur letzten Minute hatte ich mir keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie ich Marco eigentlich gegenübertreten sollte. Mir war zwar durchaus bewusst gewesen, dass er auch da sein würde und er live miterleben würde, wie ich meine Aussage machte, aber was genau das eigentlich bedeutete, wurde mir erst klar, als ich im Gericht stand.
Vorher schien mein Gehirn mehr und mehr auf Durchzug zu schalten. Alles um mich herum passie rte fast nur noch mechanisch, einfach neben mir her, ich nahm daran überhaupt nicht mehr teil ... und das fand ich auch ganz angenehm so. Ich war froh, wenn ich einfach total faul auf dem Sofa liegen konnte, fernsah und mir dabei tonnenweise Knabberzeug, Joghurt, Eis und sonstigen Süßkram reinschaufeln konnte. Aus Bequemlichkeit platzierte ich die ganzen Tüten, Kartons und Becher ganz dezent auf dem Boden vor der Couch.
Erst versuchte Andrea es so gut es ging zu ignori eren, in der Hoffnung, dass der träge, irgendwie dicker gewordene Jan irgendwann mal den Arsch hochbekommt und den Müll wegräumt ... aber der faule, rundliche Jan blieb liegen und stand nur zum Pinkeln auf. Also ich war jetzt nicht fett oder so, ich hatte nur vielleicht ein kleines bisschen zugenommen und es fiel kaum auf. Nur Andrea stach so was natürlich sofort ins Auge.
Irgendwann kriegte sie dann aber mal zu viel. Zu dem Zeitpunkt konnte ich überhaupt nicht nachvollzi ehen, warum. Sie stand dann auf einmal vor mir, so dass sie mir die Sicht auf den Bildschirm vom Fernseher versperrte, und fragte mich, ob sie mich gleich mit wegschmeißen könne oder ob ich glauben würde, dass ich doch noch für irgendetwas zu gebrauchen wäre. Das war glaube ich zwei Tage oder so vor dem Termin.
„Wie kannst du dich in so einem Müllberg auch noch wohlfü hlen?“, fragte sie mich ernst.
„Wer sagt denn, dass ich mich wohlfühle?“, entgegn ete ich.
„Du machst nicht wirklich den Eindruck, als würd e dich das hier quälen, dann hättest du es nämlich schon vor Tagen weggeräumt.“
„Ja, ich räum es gleich weg.“
„Jetzt, Jan!“
„Hoh, geh doch mal aus dem Bild! Ich mach das, wenn die Sendung zu E nde ist.“
Böse ging Andrea zum Fernseher und stel lte ihn aus. „Jetzt!“ Damit ich den Fernseher nicht einfach wieder anmachen würde, nahm sie die Fernbedienung mit in ihr Zimmer und forderte mich nochmal eindringlich dazu auf, den Schrott wegzuräumen.
Da es ohne Fernseher jetzt eh voll ung emütlich war, mühte ich mich hoch und streckte mich. Lustlos schaute ich mich um; da hatte sich ja doch Einiges angesammelt.
Um Andrea zu ärgern, sagte ich aus Spaß: „Kaum ist Andrea wieder da, ersticken wir im Müll.“ Sofort stand sie neben mir und stemmte fassungslos die Hände in die Hüften . „Ach, Andrea“, sagte ich ironisch überrascht und vergrub meinen Mund unter meinem Kragen, damit sie mein Grinsen nicht sehen konnte.
Einen kurzen Moment lang schaute sie mich einfach nur an und fuhr schließlich mit ihrer Predigt über den Müll fort: „Warum bist du in letzter Zeit eigen tlich so unglaublich schlampig geworden? Das ist mir nicht nur mit dem Müll aufgefallen, du hast auch schon einen riesigen Berg Unterwäsche in deinem Zimmer liegen, der jeden Tag größer wird und nach ner Waschmaschine schreit. Ich hab mich schon die ganze Woche über um den ganzen anderen Kram gekümmert, obwohl du dran bist, aber du kriegst ja nicht mal das bisschen Wäsche geregelt.“
„Ich warte halt, bis es sich lohnt, den Berg zu w aschen“, versuchte ich mich rauszureden.
Andrea
Weitere Kostenlose Bücher