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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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würde die Nase rümpfen und mich zweimal Zähneputzen schicken.
    Die Putzfrauen, jetzt in Zivil und mit Handtaschen, erschienen wieder und gingen schnatternd zur Bushaltestelle. Ein Bus kam und sie fuhren weg.
    Ich zündete eine neue Zigarette am Stummel der letzten an und wartete. Kettenrauchender Faulpelz legt es darauf an, entlassen zu werden.
    Plötzlich stürzte Smirnik heraus, offensichtlich unzufrieden mit dem Verlauf seines Feierabends. Er lief zum Kleinbus, stieg ein und schlug die Tür unnötig fest zu. Mit aufheulendem Motor schoss er auf die Straße und verschwand. Reifenquietschen verebbte in der Ferne.
    Eine schnelle Fuhre noch? Einspringen für einen anderen Fahrer? Ich ging weiter. Rauchpause beendet.
    Die meisten Parkplätze an den Firmengebäuden waren bereits leer. Aus den Spalten zwischen Asphalt und Hausmauern wucherte langes Gras, in dem sich Zeitungsfetzen verheddert hatten. In einem schmalen Grünstreifen lagen leere Verpackungen und Bierdosen. Eine Stelle war mit rostigen Rohrstücken und zerbrochenen Ziegeln übersät. Ein rot schimmernder VW Golf mit extrabreiten Reifen und teuren Alufelgen stand allein da. Das Kennzeichen stimmte mit dem auf dem Ausdruck überein. Hinten abgedunkelte Scheiben und chromglänzende Auspuffrohre, vorn ein Spoiler, der fast bis zum Boden reichte. Smirnik achtete auf sein Auto.
    Ich sah mich um. Die Straße war in beiden Richtungen menschenleer. Solche Angebote soll man nicht zurückweisen. Ich zog meine alten Diensthandschuhe aus kevlargefüttertem Leder an. Obligat bei Demonstrationen, Durchsuchungen und Festnahmen, behüteten sie meine zarten Hände vor Schnitten, Stichen und Abschürfungen. Außerdem behielt ich damit meine Fingerabdrücke für mich.
    Mit einem robusten Klappmesser stach ich zweimal in jede Reifenwand. Das war immer ein bisschen wie Dosenöffnen und verursachte keinen Lärm. Ich hob eines der herumliegenden Rohrstücke auf und schlug zweimal wuchtig gegen die Windschutzscheibe. Ein dumpfer Knall und sie zerbarst vollständig. Das Auto litt still. Keine Alarmanlage. Die Scherben der Heckscheibe blieben an der schwarzen Folie kleben. Ich hielt kurz inne. Keine Bewegungen hinter den Fenstern, keine Reflexionen im Glas. Niemand auf der Straße, keine Einsatzfahrzeuggeräusche. Ich behandelte Scheinwerfer und Motorhaube. Weil alles ruhig blieb, nahm ich mir noch Zeit, die Fahrersitzpolster großzügig aufzuschlitzen.
    Damit hatte ich schon einmal eine gute Gesprächsbasis hergestellt.
    Zufrieden warf ich das Rohr ins Gras, ging davon und bog in die nächste Querstraße ein. Ich zog meinen Sweater aus und stopfte ihn in eine mitgebrachte Plastiktüte. Die nächste Straße rechts brachte mich wieder zum Auto zurück. Hilfskraft auf dem Heimweg.

7
    Während ich das würzige Frühstücksbrot dick mit Marillenmarmelade bestrich, begann mein Telefon zu zirpen und wurde immer lauter. Bis ich meine klebrigen Finger abgeleckt und den Anruf angenommen hatte, hätte es sich fast vom Küchentisch vibriert.
    Poldi war dran. »Servus Kant. Ich hab gehört, ein Bekannter hat Probleme mit seinem Auto. Der Arme.«
    Ich sah zur Kaffeemaschine neben dem Herd, die ein endgültiges Gurgeln als Kaffee-fertig-Signal ertönen ließ. Eine halbe Stunde später wäre mir auch noch recht gewesen.
    »So was gibt’s«, antwortete ich und nahm eine Kaffeetasse aus dem Hängeschrank. Poldi war ein richtiger Informationskrake geworden, seit seiner Zeit beim BVT. »Dreiphasenplan«, informierte ich ihn, dass das Projekt Smirnik noch im Laufen war. Ich schmatzte dabei leise wegen der Marillenmarmelade.
    »Ah so?«, bemerkte er zufrieden. »Was scheppert da?«
    »Ich zerstöre gerade ein Geschäftslokal, das seine Schutzgelder nicht bezahlt hat.«
    »Ma, Kant, du bist so deppert«, sagte Poldi seufzend. »Also echt. Du, ich hab was für dich. Deine Autos kannst vergessen. Eines ist auf einen Internet-Telefonshop zugelassen, der Rest sind alles Mietwagen von verschiedenen Verleihern.«
    Ach ja. Ich erinnerte mich an die Aktivitäten neben dem Lagerhaus. Die Kennzeichen der Transporter brauchte ich zwar gar nicht, hatte Poldi aber trotzdem die ganze Liste gegeben. Ich verlieh meiner Enttäuschung Ausdruck, indem ich schwieg. Zum Trost schnupperte ich den frischen Kaffeeduft.
    »Nur der Audi«, sagte er.
    Also doch noch. Informationen weiterzugeben, fiel Poldi viel schwerer, als welche zu sammeln. Ich stellte die Zuckerdose auf den Tisch und schwieg weiter, bis er es nicht mehr

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