Geliebt
sich immer noch nichts. Entmutigt und beschämt ließ sie die Hand sinken und wollte schon aufgeben.
Doch da sagte Caleb: »Konzentrier dich! Du gehst vor wie ein Mensch. Hab Vertrauen in deine Kraft. Dreh den Knauf aus deinem Inneren heraus. Vertrau auf deinen Körper.«
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Dann legte sie die Hand erneut auf den Knauf, versuchte, seine Anweisungen zu befolgen, und richtete ihre Konzentration nach innen.
Diesmal war ein lautes Knacken zu hören. Als sie überrascht die Augen öffnete, stellte sie fest, dass sie den Türknauf aufgebrochen hatte. Die Tür war offen.
Stolz lächelte sie Caleb an.
»Sehr gut«, lobte er sie und forderte sie mit einer Handbewegung auf, einzutreten. »Ladys first.«
Das Haus war gemütlich, mit seinen niedrigen Decken, Sprossenfenstern und knarrenden Holzdielenböden. Draußen wurde es schnell dämmrig, daher hatten sie nicht viel Zeit für ihre Suche – sofern sie kein Licht einschalten wollten. Also drehten sie zügig eine Runde durch das Haus und versuchten, sich so schnell wie möglich einen Überblick zu verschaffen.
»Was suchen wir eigentlich?«, wollte Caitlin wissen.
»Das weiß ich genauso wenig wie du«, erwiderte er. »Trotzdem denke ich, dass wir am richtigen Ort sind.«
Am Ende des Flurs stand eine große Infotafel mit Einzelheiten über Hawthornes Leben. Sie blieb stehen und las vor: » Nathaniel Hawthorne war nicht einfach nur ein Autor, der über Salem schrieb, wie viele andere, sondern er lebte auch in Salem. Viele seiner Erzählungen spielen in Salem. Die meisten in seinen Romanen beschriebenen Gebäude existierten tatsächlich, viele stehen sogar heute noch.
Zudem hatte Hawthorne eine persönliche Beziehung zu einigen Ereignissen und Personen seiner Werke. Sein berühmtestes Werk beispielsweise, Der Scharlachrote Buchstabe , erzählt die Geschichte einer Frau namens Hester Prynne, die wegen ihres ehebrecherischen Verhaltens ins Gefängnis gesteckt wurde. Hawthorne hatte eine direktere Verbindung zu jenen Ereignissen, als man meinen sollte, denn sein Großvater, John Hawthorne, war einer der Richter bei den Hexenprozessen von Salem gewesen. Er war mitverantwortlich für die Anklage, die Verurteilung und die Hinrichtung der Hexen. Seine Abstammung stellte eine schwere Bürde für Hawthorne dar. «
Fasziniert sahen Caitlin und Caleb sich an. Hier gab es eindeutig eine enge Verbindung – sie hatten das Gefühl, dass sie auf etwas Wichtiges gestoßen waren. Trotzdem wussten sie immer noch nicht genau, was das war. Offenbar fehlte ihnen noch ein Bindeglied.
Zügig setzten sie ihren Weg durch das Haus fort, musterten aufmerksam die Einrichtung und hielten die Augen offen. Doch als sie das Erdgeschoss komplett durchkämmt hatten, standen sie immer noch mit leeren Händen da.
Zögernd blieben sie vor einer schmalen Holztreppe stehen, die mit einer Samtkordel abgesperrt war. Daran hing ein Schild mit der Aufschrift: Privat, Zutritt nur für Angestellte .
Caleb warf Caitlin einen Blick zu.
»Jetzt sind wir schon so weit gekommen«, meinte er und löste die Kordel.
Aufgeregt stiegen sie die Treppe hinauf. Ihre Schritte hallten auf den harten Holzstufen wider. Das ganze Haus ächzte und stöhnte, als wolle es sich über die ungebetenen Besucher beschweren.
Die Decken im Obergeschoss waren sogar noch niedriger, sodass Caleb kaum aufrecht stehen konnte. Zwar war es inzwischen deutlich dunkler geworden, doch sie konnten noch genug erkennen. Das Zimmer, in dem sie standen, war wunderschön und sehr gemütlich – es war mit breiten Holzdielen, Sprossenfenstern und geschmackvollen Stilmöbeln ausgestattet. In der Mitte befand sich eine gemauerte Feuerstelle, die offensichtlich häufig benutzt worden war. Die Rußspuren hatten bis heute überdauert.
Caitlins Blick fiel auf eine weitere Infotafel, die sich mit der Geschichte von Elizabeth Paine beschäftigte.
Wieder las Caitlin laut vor: » Hester Prynne, die Figur, die im Mittelpunkt des Romans Der scharlachrote Buchstabe steht, wurde verfolgt, weil sie den Namen des Vaters ihres illegitimen Kindes nicht preisgeben wollte. Viele Gelehrte sind heute der Meinung, dass der Roman in Wahrheit auf dem Leben einer Frau basierte, die in Salem gelebt hatte: Elizabeth Paine. Keinem der Wissenschaftler ist es jedoch bislang gelungen, etwas über die Abstammung von Elizabeths Kind herauszufinden, weil sie es ablehnte, den Namen des Vaters zu verraten. Einer Legende zufolge soll er ein
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