Geliebte Betrügerin
einen Jungen, erinnern Sie sich?« Aus einer Schublade holt er einen schwarzen Seidenschal und Handschuhe.
»Sie haben wirklich nicht vor, Beth zu adoptieren?«
»Nein, aber das haben Sie doch die ganze Zeit über gewusst.«
»Ja, und ich verfluche mich dafür, bei Ihrem miesen Komplott mitgemacht zu haben. Ich wusste es besser, aber -«
»Sie wollten das Geld.« Er nahm die Stiefel in die Hand und hielt sie ihr hin. »Ich gehe runter und such nach einem Diener, der mir damit hilft. Ich würde ja Sie bitten, aber dazu sind Ihre Ressentiments mir gegenüber wohl zu groß.«
Er ließ sie einfach stehen, stieß die Tür auf und ging hinaus. »Verdammt!«, brüllte er und blickte den Korridor hinunter.
»Was ist los?«, fragte Pamela.
»Beth«, sagte er.
Pamela brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass die Tür offen gestanden hatte. Sie vergaß ihre eigenen Sorgen. Sie schluckte schwer. Lieber Gott, Beth war da gewesen. Vielleicht hatte sie eine Aufmunterung gebraucht, vielleicht hatte sie das Rüschenkleid vorführen wollen oder ihnen auch nur sagen, dass es Zeit wurde. Sie musste einen der Bediensteten gefragt haben. Sie hatte sie gefunden – und mit anhören müssen, wie Kerrich und sie all ihre Hoffnungen zerstörten.
Pamela lief auf den verlassenen Flur hinaus. Dann blickte sie zu Kerrich auf, krank vor Sorge und vor Angst.
»Sie wird es begreifen«, sagte Kerrich nonchalant. »Sie erholt sich wieder. Wann soll sie der Königin vorgestellt werden?«
»Um sechs Uhr. Soll das heißen, Sie wollen ihr nicht nachlaufen? Sie tun ihr weh!«
»Ich würde sagen, wir tun ihr beide weh.« Er suchte nach seiner Taschenuhr und fand sie in einer Schatulle. »Ich tue alles, was in meiner Macht steht, pünktlich im Palast zu sein aber ich muss jetzt fort.«
Pamela bekam kaum Luft vor Enttäuschung. »Können Sie eigentlich noch in den Spiegel schauen? Sie
sind
wie mein Vater.«
Er starrte sie an, als kenne er sie nicht, packte sie am Arm, zog sie unerbittlich an sich und sagte: »Und Sie sind wie meine Mutter. Sie erkennen einen Diamanten noch nicht einmal dann, wenn Sie einen in der Hand halten.«
Kapitel 25
»Wir hätten uns nie vorstellen können, dass der junge Mann so gewalttätig sein würde, Mylord.«
Kerrich starrte Mr. Gordon, den Ermittler im Auftrag der Regierung, total fassungslos an. »Also haben Sie Athersmith laufen lassen?«
»Er hatte eine Pistole! Darauf waren wir nicht vorbereitet! Wer hätte gedacht, dass jemand am helllichten Tag einen solch verwegenen Diebstahl begeht!« Dieser so genannte »Ermittler« würde stundenlang mit seinen Entschuldigungen fortfahren, wenn ihm nur jemand zuhörte. »Er ist einfach hereinmarschiert. Er hat das Papier aufgeladen, auf dem die Banknoten gedruckt werden! Dann hat er die Drucktinte genommen! Als wir ihn festhalten wollten, hat er gefeuert!«
»Mit einer einschüssigen Pistole?«
»Ja, genau!«
»Aber wenn die Pistole schon leer geschossen war, welchen Schaden hätte er noch anrichten können?«
»Er hat mit noch einer herumgefüchtelt! Außerdem waren Leute in der Lobby. Und Kunden an den Schaltern! Und die Kugel hat ein Stück von einer altehrwürdigen Statue am Ende der Lobby weggeschlagen!«
Das war es, was Gordon offensichtlich am meisten aufbrachte.
Bevor Kerrich dem Drang nachgeben konnte, diesen Mr. Gordon zu erwürgen, betrat glücklicherweise Moulton die mittlerweile menschenleere Lobby der Bank von England. Kerrich ließ den Mann einfach stehen, um sich leise mit Moulton zu besprechen und äffte dabei Gordons Ausreden nach: »Wer hätte gedacht, dass jemand am helllichten Tag an einem Ort, wo sie das Geld lagern, Geld klauen würde?«
»Ich habe Sie vor der krankhaften Unfähigkeit der Regierungsleute gewarnt, Mylord«, sagte Moulton. »Wenn die Ermittler zugestimmt hätten, die offiziellen Wachleute der Bank von England vorzuwarnen, wäre das nicht passiert.«
»Die Wachleute der Bank wussten nicht Bescheid?«
Moulton lächelte resigniert. »So ist sie eben, die Regierung, Sir.«
Kerrich ging zusammen mit Moulton auf die Threadneedle Street hinaus. Er stützte sich an einen der mächtigen Pfeiler, atmete tief die frische Luft und fragte: »Und was haben Sie herausgefunden?«
»Wenn man den Regierungsleuten glaubt – und wir wissen, wie effizient sie arbeiten –, dann hat es keinerlei Ablenkungsmanöver gegeben. Mr. Athersmith soll irgendwie in den Lagerraum am Ende des Gebäudes gekommen sein, wo er fünfzig Packungen
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