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Geliebte Betrügerin

Geliebte Betrügerin

Titel: Geliebte Betrügerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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wollte. Also ignorierte sie tapfer den talentierten jungen und auch die Mädchen, die auf der Treppe saßen und die Gesichter zwischen die Geländerstäbe pressten. Was schrecklich war, denn Pamela hatte eine Schwäche für die ungeliebten, die ausgestoßenen, die zurückgelassenen Kinder. Sie konnte sie so gut verstehen.
    »He!« Einer der größeren jungen, stieß die jüngeren zur Seite. »Ich bin Chilton. Ich bin stark, sehen Sie?« Er rollte die Ärmel hoch und spannte die Muskeln an. »Ich trag Ihre Kohlen und heiz Ihren Herd, besser als die ganzen anderen Jungs.«
    »Tust du nicht«, setzte sich einer der Kleineren tapfer zur Wehr. »Du bist vielleicht größer, aber dafür faul.«
    Chilton ballte die Faust. »Bin ich nicht.«
    Ein anderer Junge schubste ihn von hinten, und schon fielen die zähesten der Buben in wildem Tumult übereinander her. »Eine kräftige Rasselbande, nicht wahr?« Mrs. Fallowfield, die Direktorin des Waisenhauses, versuchte der Rauferei etwas Positives abzugewinnen.
    Doch Pamela wich kommentarlos vor dem Aufruhr zurück.
    Mrs. Fallowfield bemerkte ihr Missfallen, klatschte in die Hände und rief vergeblich um Ruhe. Die aufgedunsene Frau hatte die Kinder nicht im Griff. Nur verzweifelte oder unredliche Frauen nahmen eine Anstellung wie diese an, und Pamela hielt die Frau für beides. Sie hatte sich nur allzu willens gezeigt, Pamela einen der jungen zu verkaufen und hatte nicht lange gefragt, welches Schicksal das Kind erwartete. Sie hatte lediglich ihren Kaufpreis gefordert.
    Pamelas Blick wanderte zum Rand der Menge. Einer der Buben hatte sich zurückgehalten und beobachtete den Tumult mit haselnussbraunen Augen, die zu groß für sein schmales, dreckiges Gesicht waren. Sein schmutzbraunes Haar hing bis knapp auf die Schultern, er trug eine Art Kittel und hielt einen Besen in der Hand. Zwar verdeckte das Knäuel aus raufenden Buben seine Beine, aber er schien Pamela jämmerlich mager zu sein.
    Sie rief Mrs. Fallowfield über die Kakophonie hinweg eine Frage zu: »Was ist mit dem jungen da?«
    Die Direktorin sah sie erstaunt an. »Das ist kein -«
    Chilton hatte die Frage gehört, rappelte sich hoch und wischte sich die blutende Nase am Ärmel ab. »Dem Jungen?« Er ließ sich wieder zu Boden fallen und lachte gellend drauf los. Sein Frohsinn wirkte offenbar ansteckend, denn die anderen jungen fingen zu wiehern an, die Mädchen juchzten und trampelten mit den Füßen, und sogar Mrs. Fallowfield hatte Mühe, ihre Belustigung im Zaum zu halten.
    Der Bursche sah aus, als habe man ihn verprügelt und das nicht zum ersten Mal.
    Pamela hatte offensichtlich eine Lachnummer aus ihm gemacht. Sie winkte ihn herbei, und als er auf sie zukam, verstand sie weshalb.
    Der junge war ein Mädchen. Was wie ein Kittel ausgesehen hatte, waren in Wirklichkeit die Fetzen eines abgetragenen Kleidchens. Die knochigen Handgelenke staken weit aus den Ärmeln, der Saum war heruntergelassen, bis es nicht mehr ging, und dennoch waren immer noch die bestrumpften Fußknöchel zu sehen. Warum sie das Haar kurz trug, wusste Pamela nicht, aber der Haarschnitt provozierte offensichtlich Häme und Misshelligkeit. Das arme Mädchen war den Tränen nah und kämpfte darum, die anderen nicht sehen zu lassen, wie weh sie ihr getan hatten.
    Pamela verstand. Sie erinnerte sich nur allzu gut ihrer Jahre als hässliches Entchen, als jeder sie wegen ihrer schlaksigen Beine und ihrer unglaublichen Ungelenkheit verspottet hatte. Sie war selbst Gegenstand unzähliger Witzeleien gewesen –,aber der größte Witz von allen war immer noch, dass schließlich ein schöner Schwan aus ihr geworden war.
    Sie hätte dem Mädchen am liebsten versichert, dass die Burschen bald alles für ihr Lächeln geben würden, aber sie konnte ihr weder Schönheit noch Selbstbewusstsein noch Charakterstärke versprechen. Nicht wenn das Kind unter solch lieblosen, elenden Umständen aufwuchs. Also legte sie die Hände auf den Rücken und fragte nur: »Wie heißt du, Liebes?«
    »Elizabeth, Madame.« Das Mädchen knickste. »Elizabeth Hunter.«
    »Und wie alt bist du, Ellzabeth?«
    »Ich bin jetzt acht.«
    Acht Jahre? Sie war acht Jahre alt? Bei all der Mitleid erregenden Magerkeit, das Mädchen war groß gewachsen und versprach noch ordentlich weiterzuwachsen. Kein Wunder, dass sie die Schultern hängen ließ. Pamela sehnte sich danach, sie zu trösten und schlang fest die Finger ineinander, um dem Impuls zu widerstehen. »Wie lange bist du schon im

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