Geliebte Betrügerin
anhatte.
Kerrich klopfte ungeduldig mit der Reitgerte an seine Stiefel. »Dass mein Großvater involviert ist, lässt mir keine andere Wahl, als das Kind zu behalten.«
Ihr unvorhersehbares Interesse an Kerrichs Äußerem versetzte Pamela in Angst und Schrecken. Und was noch schlimmer war: Es würde auch
ihn
in Angst und Schrecken versetzen. Er würde befürchten, dass sie des Nachts in seinem Schlafgemach erschien – ohne diese Kleider hier. Und sie wagte es nicht, sich selbst zu versprechen, dass sie es nicht tun würde. Denn vor einer Stunde hätte sie noch geschworen, dass kein Mann sie Je in Aufregung versetzen würde. Ihre moralischen Grundsätze standen unter Beschuss; sie musste den Anfängen seichter Gelüste wehren!
Kerrich sah sie an, und in seiner Stimme schwang plötzlich honigsüße Überzeugungskraft. »Das Kind sitzt gut zu Pferd, das haben Sie sicherlich bemerkt. Und wer hätte beim Reitenlernen nicht ein oder zwei Stürze erlebt? Sie wird all die ernsthaften Dinge bei Ihnen erlernen, Miss Lockhart, daran habe ich keinen Zweifel. Aber lassen Sie mich ihr beibringen, was Lebensfreude ist. Ich denke, sie hat in ihrem kurzen Leben ohnehin viel zu wenig Vergnügen gehabt.«
»Ja.« Pamela war immer noch benebelt, kämpfte um ihre Rationalität und sorgte sich schon fast, dass er nicht nur flüchtiges Interesse an Beth zeigte, sondern wirklich einfühlsam schien. »Das ist sicher wahr, aber -«
»Gut, dann sind wir uns einig.« Er richtete seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes. »Da kommen Lady Smithwick und zwei ihrer Töchter auf uns zugeritten. Lassen sie uns Beth vorstellen.«
Sein Vorschlag ließ sie zur Besinnung kommen. »Das geht nicht, dafür ist es noch zu früh.«
Er ließ die drei Damen, die mit ihrem Stallburschen unterwegs waren, nicht aus den Augen. Sein Lächeln wurde breiter, je näher die vier kamen, aber seine Stimme war Respekt gebietend. »Miss Lockhart, ich weiß, Sie halten mich für einen Schurken. Aber was ich tue, ist für mich und meine Familie von großer Wichtigkeit. Ich führe einen Kampf gegen die Zeit, und Beths kleiner Sturz vom Pferd ist möglicherweise ein Glücksfall für mich.«
Pamela hielt ihn für einen Schurken, sie wusste, dass er einen Kampf gegen die Zeit führte, und sie wusste auch, dass Beths kleiner Sturz vom Pferd möglicherweise ein Glücksfall war, denn sie konnten ihn nutzen, die Neuigkeit von Kerrichs Adoptivkind zu verbreiten. Nichtsdestotrotz musste sie protestieren: »Aber, Mylord, das sind die Fairchilds.«
»Schandmäuler ist noch das Beste, was man über sie sagen kann.« Er schaute sie an. »Miss Lockhart, wir entgehen den Damen ohnehin nicht. Und ich erkenne die Hand des Schicksals, wenn ich sie sehe. Bitte bringen Sie Beth zu mir, damit ich sie vorstellen kann und die Damen die Kunde von meiner Nächstenliebe in die Londoner Gesellschaft tragen können!«
»Ja, Sir.«
Sie wusste, dass Kerrich in allen drei Punkten Recht hatte. Dieses Zusammentreffen würde jedenfalls keinen schlimmen Schaden anrichten. Es war nur ihr Stolz, der sich ein Kind mit makellosen Manieren wünschte und ihr Mitgefühl, das Beths Ängstlichkeit erspürte.
Kerrich verbeugte sich, als die Damen näher kamen. »Was für ein erfreuliches Zusammentreffen!«
Pamela kämmte Beth mit den Fingern die schulterlangen Haare und wünschte sich, das Kind trüge nicht ausgerechnet die abgelegten Kindersachen einer Zofe. Aber Beth gegenüber strahlte sie volles Vertrauen aus. »Lord Kerrich möchte, dass du Lady Smithwick kennen lernst und ihre Töchter, die beiden Miss Fairchilds. Wir richten dich schnell ein wenig her, und dann gehen wir zu den drei netten Damen.«
»Ich will aber nicht.«
»Unsinn«, sagte Pamela aufmunternd. »Du wirst sie bezaubern, und Lord Kerrich ist da und hilft dir.« Sie legte Beth die Hand auf die Schulter und schob sie behutsam vorwärts. »Außerdem ist das eine gute Übung für dich, und später, wenn wir wieder im Schulzimmer sind, darfst du mich alles fragen, was du willst.«
Beths Stimme war nur noch ein Flüstern. »Und was passiert, wenn ich etwas falsch mache?«
»Wir sind in einem Park. Hier erwartet niemand mehr als etwas Freundlichkeit und davon hast du im Überfluss.«
Kerrich hatte den Auftritt anscheinend schon vorbereitet, denn als sie näher kamen, lächelten sie zwei schöne junge Frauen und eine plumpe Ältere mit einer Munterkeit an, wie sie nur hartgesottene Klatschtanten an den Tag legten, denen gerade der Fang des
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