Geliebte Betrügerin
Jahres ins Netz gegangen war. Pamela hielt sich zurück, während Beth knickste.
»Was für ein entzückendes kleines Ding«, sagte Lady Smithwick angetan. »Etwas so Gutes zu tun, Lord Kerrich! Und so bezeichnend für Ihre feine Natur und Ihre hohen moralischen Werte. Die Kleine ins Haus zu nehmen, wo Sie nicht einmal wissen, ob sie vielleicht schlechte Wurzeln hat.«
Kerrich legte Beth den Arm um die Schultern. Eine gute Idee, dachte Pamela, denn Beth hatte ihre kleinen, abgemagerten Hände zu Fäusten geballt. Pamela sprach mit der ruhigen Autorität der Miss Lockhart, zu der sie geworden war. »Aber Lord Kerrich weiß über ihre Abstammung Bescheid. Beth ist die Tochter einer alteingesessenen, leider verarmten Familie aus dem Norden. Ihr Vater war ein geschätzter Mitarbeiter und ist ums Leben gekommen, als er, in Diensten Lord Kerrichs stehend, eine wahre Heldentat vollbracht hat.«
Die Damen waren am Ende.
Die jüngere Miss Fairchild flüsterte viel zu laut: »Dann ist sie also kein Bastard?«
Lady Smithwick geiferte zurück: »Natürlich nicht! Das habe ich auch nicht behauptet!« Was offensichtlich eine Lüge war. Sie wandte sich wieder Lord Kerrich zu. »Gott wird Sie für Ihre Güte segnen!«
»Ja, aber Sie sollten die Kleine trotzdem nicht mehr in Gesellschaft mitnehmen, bevor die Schneiderin nicht ihre neuen Sachen fertig hat.« Die ältere der Schwestern kicherte hinter vorgehaltener Hand. »Sie ist wie ein Dienstmädchen angezogen!«
Kerrich hielt Beth immer noch im Arm. Doch schien er sie jetzt eher zu umarmen, als festzuhalten. »Sie werden von Tag zu Tag klüger, Miss Fairchild. Ich danke für den Rat.«
Als die Damen davonritten verbeugte Kerrich sich lächelnd. Dann schaute er eine lange Zeit das Mädchen an und wandte sich schließlich zornig an Miss Lockhart. »Das ist alleine Ihr Verschulden, Miss Lockhart. Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Beth etwas zum Anziehen braucht?«
Kapitel 10
»Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie mich das Kind in diesen Sachen in den Park mitnehmen haben lassen.« Kerrich saß entschieden verärgert auf einem zierlichen Stuhl im eleganten, verspiegelten Modesalon von Madame Beauchard und wartete darauf, dass Beth in dem neuesten Kleidchen erschien, das Madame für sie ausgesucht hatte. »Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass sie in Fetzen herumläuft?«
»Sie übertreiben, Mylord. Die Kleider stammen von einer Jungen Zofe aus Ihrem eigenen Haushalt, die aus den Sachen herausgewachsen ist.«
Ihre extravagante Gelassenheit strapazierte selbst Kerrichs meist ruhige Gemütsverfassung. »Die Kleider einer Zofe. Ich habe sie in Zofenkleidern in die Öffentlichkeit mitgenommen. Miss Lockhart, das ist eine Schmach, an die ich mich lange erinnern werde.«
Miss Lockhart antwortete ihm mit einem schnippischen Tonfall, den kaum jemand ihm gegenüber riskiert hätte. »Sie haben Augen zum Sehen, Mylord. Wenn Beths Kleider Ihnen missfallen haben, hätten Sie es nur zu sagen brauchen.«
Diese Frau.
Manche Leute behaupteten, Träume hätten eine Bedeutung. Kerrich glaubte das selbstverständlich nicht. Träume waren Nonsens, manchmal angenehm, manchmal Grauen erregend, aber immer nur das Produkt eines unbeschäftigten Hirns. Aber dieser Traum von letzter Nacht! Diese Schenkel. Diese wunderbaren Brüste. Diese wohl geformten Beine.
Dieses Gesicht. Miss Lockharts Gesicht!
Aus dem Augenwinkel konnte er sie sehen. Sie saß neben ihm, nur das Strickzeug in Bewegung. Doch sie verströmte Zorn, auch wenn Kerrich nicht verstand, wie sie es nur wagen konnte, zornig zu sein. »Als ob ich mich damit aufhielte, auf die Kleider des Kindes zu achten«, erwiderte er. »Das ist Sache der Gouvernante!«
Miss Lockhart schniefte zänkisch. »Sache der Gouvernante ist es, mit dem Kind zu lernen und ihm das richtige Benehmen beizubringen, aber ganz bestimmt nicht, auf einem klapprigen, alten Gaul einen unbesonnenen Ausritt zu unternehmen!«
»Einem klapprigen, alten Gaul?«, wiederholte er. Interessant, dass die schlimmste Häme dem Pferd galt. Sah sich Miss Lockhart vielleicht als schneidige Reiterin? »Sie klingen, als hätten Sie lieber auf einem besseren Pferd gesessen.«
Die Stricknadeln klapperten schneller. »Darum geht es nicht. Es geht darum, dass ich mich noch nicht um Beths Garderobe kümmern konnte, weil ich noch nicht wusste, was sie auszugeben bereit sind.« Als er etwas sagen wollte, schnitt sie ihm scharf das Wort ab. »Allerdings ist es mir nie in den Sinn
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