Geliebte Betrügerin
Woche. Er klopfte dem Kerl auf die Schulter und sagte: »Ich würde es sehr übel nehmen, wenn Sie mit dem Geld davonliefen.«
»Mach ich nich.« Der Kerl zeigte seine miserablen Zähne. »Ich will ja noch den Rest von den Münzen da.« Er machte sich zum Eingang davon, lehnte sich an den Schalter und redete mit dem Mädchen an der Kasse. Dann winkte er Pamela herüber. »Mary hier tut Ihnen 'nen Gefallen.und lässt Sie für ein Pfund rein. Pro Kopf.«
Pamela wandte sich an Timothy. »Wie viel kostet der Eintritt zum Pferderennen üblicherweise?«
»Zehn Shilling.« Er starrte Mary an, die ihrerseits den Kerl anstarrte.
Der griff sich seinerseits über dem Herzen an die Weste und sagte: »Kannst heutzutage keinem mehr trauen. Du brichst mir's Herz, Mary, meine Liebe, dass du versuchst, mich und die feine Lady zu beschwindeln. Lass uns umsonst rein, dann meld ich's nicht der Aufsicht.«
Männer, dachte Pamela mürrisch, während sie ihm durchs Eingangstor folgte. Es
war ganz egal, welche Rolle das Leben ihnen zugewiesen hatte. Frauen waren für sie immer nur Täubchen, die man ausnehmen konnte – und küssen.
Sie betrachtete den dreckigen Nacken des Kerls.
Und dann glaubten sie auch noch, es würde einem nicht auffallen, wenn sie einem die harte Arbeit zunichte machten, indem sie ein unschuldiges kleines Mädchen mit zum Pferderennen nahmen.
Falls es das war, was Kerrich im Sinn gehabt hatte, dann würde es heute ein schmerzliches Erwachen für ihn geben.
Pamela stieg mit ihren zwei Begleitern den Hügel hinauf. Ein Windstoß hieß sie willkommen, und der Geruch von Sturmwetter wehte vom Ärmelkanal herüber. Unter sich sahen sie die Rennbahn und die Menschen – Unmengen von Menschen, die allesamt atemlos das ins Gras geschnittene Oval anstarrten. Die Pferde stürmten los, nahmen die Kurve, kamen auf sie zugelaufen, nahmen die andere Kurve und vorbei war es.
Pamela bemerkte, dass sie die Lippen schürzte, als sei sie tatsächlich die schreckliche Miss Lockhart. »Ein recht kurzes Vergnügen.«
»Aber ein richtiges Vergnügen«, versicherte der Kerl.
Um sie herum jubelten oder jammerten die Zuschauer, je nachdem, wie ihre Wetten ausgegangen waren. Die Buchmacher gingen von Gruppe zu Gruppe, sammelten Geld ein oder zahlten welches aus und schoben sich ihren eigenen Anteil in die Taschen. Gut gekleidete Gentlemen standen neben irgendwelchen Halunken, nur Damen waren nirgendwo zu sehen. Außer dort drüben vielleicht … nein, Damen waren das nicht.
Ihr Begleiter reckte wie ein eben flügge gewordener Vogel den Hals. »Ihr Lord Kerrich steht bestimmt bei ein paar andren feinen Herrn, so wie er einer is. Praktisch is das. Macht's den Taschendieben leicht, fette Beute zu finden.«
Timothy hielt sich über der Hüfte die Jacke fest.
Der Kerl schaute ihn an. »So sieht man gleich, wo was versteckt ist.« Er tat einen Sprung nach vorne und lief den Hügel wieder hinunter.
Pamela wickelte sich fester in ihr Schultertuch, um sich vor den Windböen zu schützen und folgte ihm, einen keuchenden Timothy auf den Fersen, in die Menschenmenge.
»Hierher, hierher«, rief der alte Halunke. Dann blieb er genauso abrupt stehen, wie er losgelaufen war.
Pamela schaute sich um und erwartete, irgendwo in der Nähe Lord Kerrich und Beth zu sehen. Aber um sie herum standen nur fremde Männer, die alle geradeaus starrten und sich die Hälse verrenkten. Der Geruch von zertrampeltem Gras und aufkommendem Regen, von Freude und Verzweiflung lag in der Luft. Es wurde still, und sie hörte Hufschläge auf sich zukommen. Das nächste Rennen war im Gange. Und gleich wieder vorbei. Wieder jauchzen und Gejammer, und als hätte Pamela die Unterbrechung verursacht, sagte dieser Kerl: »Nun kommen Sie doch.«
je weiter sie hinunterkamen, desto mehr gut gekleidete Gentlemen waren zu sehen. Pamelas Anwesenheit provozierte fragende Blicke, doch es kümmerte sie nicht. Am Fuße des Hügels stießen sie schließlich auf eine brusthohe, hölzerne Absperrung, an der einige Gentlemen lehnten und sich die Rennen anschauten. Dort war es auch, wo sie Kerrich und Beth entdeckte.
»Da sind wir, Miss. Lord Kerrich und sein kleines Mädel und die andren-feinen Herrn«, rief ihr Führer mit großer Geste und blinzelte sie an.
Beth stand, flankiert vom Stallburschen, auf einer Holzkiste an der Absperrung. Kerrich, das Monokel fest an seinem Platz, redete ein Stück weiter mit drei Herren in schwarzen Anzügen und großen Biberpelzmützen. Die drei wirkten
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