Geliebte Betrügerin
»Ich musste sie aber mitnehmen.«
Dieser widerwärtige Mann!
»Versuchen Sie nicht, mir Schuldgefühle einzureden, weil ich meinen Pflichten nicht nachkomme. Beths Kindermädchen wäre da gewesen, sich um sie zu kümmern. Und für den Fall, dass Corliss etwas dazwischen gekommen wäre, hatte ich mit Moulton eine andere Lösung abgesprochen.«
»Sie missverstehen mich. Sie können sich ruhig Ihren halben Tag freinehmen, und Corliss war durchaus auf ihrem Posten, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.«
»Hat sie geweint?«
»Corliss?« Er fuhr zurück, als sei der bloße Gedanke ein Affront. »Ich habe keine Ahnung. Hätte mir das auffallen sollen?«
Seine völlige Gleichgültigkeit stachelte ihren Unmut noch zusätzlich an. »Als ich Corliss gesehen habe, hat sie geweint, weil sie genau wusste, dass ich wütend auf sie sein würde.«
»Auf sie? Warum sollten Sie wütend auf Corliss sein? Ich habe mich dazu entschlossen, Beth mitzunehmen, und daran hätte sie mich nicht hindern können.«
»Das habe ich ihr auch gesagt.« Pamela hörte wieder Hufe donnern. Überrascht, dass schon wieder ein Rennen im Gange war, schaute sie zur Bahn. Aber auf dem Oval waren keine Pferde zu sehen. Pamela realisierte, dass das, was sie gehört hatte, Donnergrollen gewesen war. »Jedenfalls begreift ein einfaches Kindermädchen das, was Sie offensichtlich nicht verstehen.«
»Miss Lockhart, das überrascht Sie jetzt vielleicht, aber ich bin ein Lebemann. Ein extrem begehrter Mann, und ich habe genug davon, wie ein Kind behandelt zu werden.« Er hatte tatsächlich die Unverfrorenheit, ihr auf die Schulter zu klopfen. »Ich weiß ganz alleine, was sich gehört. Ich weiß, was schicklich ist. Dafür brauche ich weder ein Kindermädchen noch brauche ich Sie.«
»Was Sie dem Ruf der Kleinen angetan haben das, was jeder gedankenlose Lebemann einer Frau antut – Sie haben ihren Ruf ruiniert, indem Sie sie an einen unpassenden Ort mitgenommen haben.« Pamela gestikulierte in Richtung Beth, doch das Mädchen hatte sich schon längst zu ihnen gesellt. »Jetzt wird niemand mehr Beth adoptieren wollen.«
»Das macht nichts, Miss Lockhart, weil Lord Kerrich mich nämlich adoptiert«, sagte Beth beruhigend.
Die beiden Streithähne legten eine Pause ein und glotzten Beth an.
Kerrich klappte der Unterkiefer herunter. Dann wandte er sich wütend wieder Pamela zu.
Pamela hatte keine Ahnung, welche Wahrheit die Kombination aus ihrem eigenen Starrsinn und seinem Jähzorn zu Tage fördern würde, doch dann hatte mit Blitz und Getöse endlich das Gewitter seinen großen Auftritt. Vom Wind gepeitscht, schlug ihnen der Wolkenbruch entgegen, klebte Pamela das Kleid an den Körper, ließ ihre Augengläser beschlagen und sie nach Luft schnappen, so schlagartig war es kalt geworden. Sogar die hartgesottensten Spielernaturen hielten ihre Zylinderhüte fest und stürzten zu den Kutschen.
Pamela nahm die Augengläser ab. »Wir sollten gehen«, schrie sie, während ihr der Sturm ins Gesicht peitschte.
»Ja, wir sollten unseren Streit in eine etwas angenehmere Umgebung verlagern.« Kerrich lächelte Pamela unfreundlich an. »In meine Bibliothek.«
Sie fixierte ihn finster. Wollte er die Erinnerung an diese beunruhigenden Küsse aufleben lassen? Sicher nicht. Schließlich hatte er sie »peinlich« genannt.
Timothy stand auf einmal hinter ihnen und tat sein Bestes, die Böen mit dem Regenschirm abzublocken. Doch der Sturmwind drehte ihm den Schirm sofort um und brachte ihn ins Stolpern.
Beth schrie: »Lord Kerrich, Sie müssen Miss Lockhart sagen, warum Sie mich auf die Rennbahn mitgenommen haben.«
Er schaute durch die Sintflut zu ihr hinab. »Weil du mich darum gebeten hast.«
»Aber erst wollten Sie mich gar nicht mitnehmen.« Sie senkte wegen des Regens den Kopf. Pamela nahm das Schultertuch ab und wickelte Beth damit ein. »Das besprechen wir später.«
Beth war aus irgendeinem Grund halsstarrig. »Sie müssen es ihr sagen, Lord Kerrich.«
»Aber nicht jetzt.« Kerrich legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie den Hügel hinauf. »Miss Lockhart hat ohnehin Recht. Und nur weil du mich erpresst hast, wird sie mich auch nicht lieber haben. Lakal, bringen Sie das Kind zur Kutsche!«
Timothy hob eine lautstark protestierende Beth hoch und lief mit ihr in Richtung der Kutschen voraus.
Kerrich und Pamela waren allein. Kerrich nahm sie am Arm und dirigierte sie vor sich her. Pamela wischte sich die brennenden Augen. Als sie den Hügel oben
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