Geliebte der Nacht
war alles andere als bequem, allerdings störte es sie nicht besonders. Cassandra wäre zwar lieber geritten, doch hatte sie sich mit Aydan nie gemeinsam auf den Rücken eines Pferdes getraut. Traurig und nachdenklich zugleich schloss sie die Augen und dachte an eine der Gelegenheiten, die James genutzt hatte, um sie zu verletzen.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich arbeite und mich nicht um dich, oder unseren Sohn kümmern kann«, polterte James von seinem Schreibtisch aus. »James du bist gar nicht mehr für uns da. Ständig ziehst du dich zurück und siehst nicht, wie unser Sohn wächst«, erwiderte sie.
Ihr standen die Tränen in den Augen, doch schien es ihm egal zu sein.
»Cassandra meine Liebe, siehst du denn nicht, dass ich mich um mein Land kümmern muss?«, fragte er. »Ich weiß, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, doch du könntest dir von mir helfen lassen und dann gehen wir gemeinsam zu unserem Sohn«, antwortete sie. James erhob sich und kam auf sie zu. Cassandra war ihm seit ihrer Heirat nie ausgewichen, so auch in diesem Moment nicht. Er fasste an ihre Schultern und starrte sie aufgebracht an.
»Ich sagte Nein und nun geh«, knurrte er. Seine Hände hielten sie fest und er schob sie auf die Tür zu.
»Warum verbringst du keine Zeit mehr mit uns?«, fragte sie heiser.
»Weil ich nicht will und nun geh«, forderte er erneut.
Seine Linke hielt noch immer ihre Schulter und mit der rechten öffnete er die Tür. Es dauerte einen Atemzug, bis er sie, etwas zu kraftvoll, aus seinem Schreibzimmer schubste. Cassandra stürzte und blieb einen Moment auf der Seite liegen. In der Hoffnung, dass James ihr aufhelfen würde, doch knallte er die Tür zu und schob den Riegel vor. »Womit habe ich das nur verdient, nachdem ich alles für ihn aufgegeben habe?«, fragte sie sich leise und erhob sich schwerfällig.
Ihre Tränen nahmen ihr die Sicht, als sie den Korridor entlang zum Gemach ihres Sohnes schlich ...
»Lady Cassandra?«
Jemand fasste an ihre Schulter und schüttelte sie vorsichtig.
Die Gräfin schlug die Augen auf und sah in das Gesicht der Gouvernante.
»Was ist denn?«, erkundigte sie sich verwirrt.
»Wir haben Foschina erreicht. Der Kutscher sagte, wir sollen eine Nacht im Gasthaus verbringen, weil die Pferde müde sind«, erklärte Emilia mit sanfter Stimme.
Diese Amme konnte keiner Fliege etwas zuleide tu n, weshalb Cassandra sie mochte, auch wenn sie ihr gegenüber noch immer misstrauisch war.
Sie setzte sich auf und zupfte einen imaginären Fussel von ihrer Schulter.
»Natürlich, wir werden diese Nacht rasten«, sagte sie. Der Fuhrmann öffnete die Tür und Cassandra trat hinaus in die Nachmittagssonne. Lächelnd sah sie das Gasthaus an und die Einwohner Foschinas erkannten sie, als die dulanische Herzogstochter. Sofort kamen Schaulustige heran und musterten sie. Emilia verließ nach ihr die Kutsche, mit Aydan auf dem Arm, und ließ ihren Blick schweifen.
»Ist es nicht wunderschön hier?«, fragte Cassandra gut gelaunt, als Emilia an ihre Seite kam.
»In der Tat ist es das«, lächelte die Amme.
Sie nahm der Nährmutter ihren Spross ab und hielt ihn im Arm. Mit dem Daumen im Mund und aufgerissenen Augen sah er, ebenfalls, auf das Gasthaus. Die Einwohner tuschelten untereinander. Cassandra spürte die Blicke auf sich und ihrem Sohn haften, doch ignorierte sie diese gekonnt. Gemeinsam gingen sie auf ihre Herberge für die Nacht zu. Der Wirt kam an die Tür, mit solch hohem Besuch hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Sein Blick verriet es Cassandra. Vor ihm blieben sie stehen. Cassandra lächelte ihn an. »Guter Herr, habt Ihr Zimmer frei die meine Gouvernante, mein Kutscher und ich beziehen können? Wir werden Euch gut dafür entlohnen«, sagte sie freundlich. Schweiß trat auf seine Stirn. »Lady Cassandra, es ist mir eine Ehre, dass Ihr in meinem bescheidenen Gasthof Unterkunft wünscht und selbstverständlich gibt es noch Räume, die Ihr und Eure Amme beziehen könnt«, erwiderte er schüchtern.
Der Wirt machte einen Schritt zur Seite, um die Gräfin und ihr kleines Gefolge einzulassen.
»Vielen Dank«, meinte Cassandra und schlenderte hinein.
Der Reichtum dieser Stadt war unglaublich und sie traten in ein einladendes helles Gasthaus. Ganz anders als in Avabruck. Ihr Vater hatte seine Amtszeit genutzt und dem Reich zu hohem Ansehen verholfen. Der Gastwirt folgte ihnen und marschierte hinter einen Tresen. Er nahm drei Schlüssel von einem Brett und kam wieder hervor.
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