Geliebte der Nacht
Emilias Stimme. Sie öffnete die Tür und sah in den Raum.
»Ich werde ein wenig spazieren und Aydan später selbst abholen«, sagte Cassandra.
»Aber Herrin, es wird bereits dunkel«, widersprach Emilia.
»Ich kann auf mich aufpassen«, lächelte sie und schloss die Tür.
Eilige Schritte führten sie in ihr Gemach. Cassandra legte ihren Umhang an und ging hinunter in die Schänke. Sie meldete sich beim Wirt ab für die nächsten Stunden und verließ das Gasthaus. Die kühle Abendluft beruhigte ihr Gemüt, als sie die Straße Foschinas entlangschritt. Die Einwohner, die noch unterwegs waren, musterten sie akribisch. »Als ob ich mich verändert habe« , dachte Cassandra.
Sie lächelte die Menschen an und setzte ihren Weg fort. So oft war sie in ihrer Kindheit hier gewesen und nun mit ihren 25 Jahren, war sie in Avabruck und einer, mittlerweile, lieblosen Ehe gefangen. Wie so oft fragte sie sich, was es mit James‘ abwehrendem Verhalten auf sich hatte. Cassandra und er hatten sich nicht gestritten, beide hatten nur das Bett miteinander geteilt, wobei sie sich nun nicht mehr sicher war, und Gefahr drohte ihnen auch keine. Seufzend sah sie sich um. Der helle Tag war beinahe der schwarzen Nacht gewichen, doch die Öllampen erhellten ihren Weg. Es war an der Zeit umzukehren und sich für den nächsten Tag auszuschlafen. Hinter sich hörte sie Hufgeklapper und sah über ihre Schulter. Sie erkannte die Reiter nicht und sah wieder vor sich. Cassandras Schritte führten sie zum Gasthof zurück. In Foschina gab es vier Stück und das war ungewöhnlich. Normal waren ein oder zwei Gasthäuser, aber Foschina war immer ein beliebtes Reiseziel gewesen, weshalb die Stadt sehr auf Reisende ausgelegt war. Die Leute ritten an ihr vorüber und sie wagte einen Blick nach rechts. Sie erkannte den Hengst ihres Gemahls und hob den Kopf, um den Reiter zu sehen.
»James«, sagte sie überrascht. Angesprochener sah zu ihr und atmete auf.
»Oh Gott sei Dank, ich habe Euch gefunden«, erwiderte er und zügelte sein Pferd.
Sie hob eine Augenbraue. Warum war er so förmlich? Sie waren doch verheiratet!
»Nun, wie Ihr seht, bin ich wohlauf und Ihr könnt nach Avabruck zurückkehren«, meinte sie und setzte ihren Weg fort. Anschließend hörte sie ihn hinter sich seufzen und er stieg von Shadows Rücken. Er folgte ihr wohl. Sie spürte seine Hand auf ihrer Schulter und er drehte sie zu sich herum. Er umfasste ihre Oberarme. Cassandra sah zu ihm auf.
»Ich habe mir Sorgen gemacht«, gab er zu.
»Das ist schwer vorstellbar nach der Behandlung, die Ihr mir habt zuteilwerden lassen«, spottete sie. James‘ Griff verfestigte sich an ihren Armen, es wurde schmerzhaft.
»Lasst mich los«, forderte sie. James seufzte.
»Es tut mir leid, wie ich Euch behandelt habe, meine Schöne«, flüsterte er.
Tränen brannten in ihren Augen, aber sie kniff sie zu, um sie am Fließen zu hindern. Die Gräfin schwieg. Die Verletzung und Enttäuschung saß einfach zu tief.
»Sagt doch etwas«, flehte er leidlich. Sie schlug die Lider auf und sah zu den Rössern.
»Wer begleitet Euch?«, fragte sie. James versteifte sich und ließ sie los.
»Das ist Caleb. Er wurde von einem Pfeil getroffen, als wir verfolgt wurden«, antwortete er.
»Und dann steht Ihr hier herum?«
Cassandra eilte um ihn herum zu den Pferden.
Er blieb wie angewurzelt stehen und sah ihr nach. Danach musterte sie Caleb und ergriff die Zügel. »Wir bringen ihn ins Gasthaus«, entschied sie. Langsam ging sie los, das Tier folgte ihr, und James war ihr in diesem Augenblick egal. Gerade war es nur wichtig, dass Caleb seine Verletzung überlebte.
Kapitel 8
~ James & Cassandra ~
James sah seiner Gemahlin hinterher und wusste nicht, ob sie ihm je verzeihen würde. Hoffentlich verzeiht sie mir, dachte er. Seufzend folgte er schließlich. Sie war so kalt gewesen, aber nachdem er sie all‘ die Zeit so schlecht behandelt hatte, hatte er es nicht besser verdient. In den letzten Monaten hatte er sie kaum beachtet und das rächte sich nun an ihm. Shadow schnaubte in der Dunkelheit und stupste gegen seine Schulter. »Ja, ich werde mit ihr reden«, flüsterte er dem Pferd zu. Scheinbar zufrieden lief der Hengst ihm ruhig hinterher. Cassandra führte Calebs Tier zur Herberge und band es davor an. Er ließ sie nicht aus den Augen und tat es ihr nach, als er neben ihr zum Stehen kam.
»Hebt ihn bitte herunter«, sagte sie tonlos.
James atmete tief durch und hievte seinen Freund von seinem Ross.
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