Geliebte des Blitzes
nachsehen, während ich fahre.«
Eine Viertelstunde später stiegen sie in den gemieteten Renault und fuhren in Richtung North Antrim Coast. Auf den Straßen herrschte kein starker Verkehr, das Wetter war angenehm. Nach zwei Stunden erreichten sie jenen schönen, naturbelassenen Teil Nordirlands, wo Faith schon zweimal ihren Urlaub verbracht hatte.
Libertys Kidnapper hatten den richtigen Ort gewählt. Anfang Oktober war das nahe Dunluce Castle an Montagen geschlossen, weshalb sie kaum Gefahr liefen, irgendwelchen Zeugen zu begegnen. Zweifellos versteckten sich Heckenschützen hinter den Felsblöcken. Wie viele mochten es sein?
Faith und Wyatt trugen schwarze Tarnkleidung, auch die verdankten sie MLs weiser Voraussicht. Im Auto hatte Faith noch einmal mit Paula telefoniert. Das TAG-Team war bereits auf dem Weg nach Belfast und hoffte trotz der kurzfristigen Order rechtzeitig einzutreffen. Aus sicherer Entfernung würden die Agenten die Ereignisse verfolgen.
Einen Kilometer vom Treffpunkt entfernt bog Faith in eine schmale Sandstraße und parkte den Wagen hinter einer Hecke. Wyatts starke Finger packten sie sanft am
Oberarm. »Nur keine Angst, alles wird ein gutes Ende nehmen. Ich halte dir den Rücken frei.«
Schon wieder schnürte es ihr die Kehle zu. »Ich verdiene dich gar nicht.«
Lächelnd zwinkerte er ihr zu und ließ ihr Herz höher schlagen. »Klar, mit mir hast du den Hauptgewinn gezogen. «
»Hör auf«, würgte sie hervor.
»Womit?«
»Sei nicht so verdammt – unerträglich.« So meinte sie es nicht, und er wusste es. Er wusste es so genau, dass er als Reaktion seine Lippen auf ihre presste. Und er küsste sie so eindringlich, als würden sie sich begrüßen und zugleich verabschieden – als wüsste er, dass nach diesem Tag nichts mehr so sein würde wie vorher.
Er glaubt, danach wird alles besser.
Außer Atem riss sie sich von ihm los und stieg aus. Wyatt ging um den Renault herum und legte ihr seine Hände auf die Schultern. »Das stehen wir durch.«
Wir . Das stehen wir durch.
Um ihre Nerven zu stärken, holte sie tief Luft. »Ja, ich weiß.«
»Dann bringen wir’s hinter uns.« Als wäre ein Schalter umgelegt worden, verwandelte sich der zärtliche Liebhaber vor Faiths Augen in einen supercoolen, hartgesottenen Agenten. Einfach grandios. Heißes Verlangen nach ihm durchströmte ihren ganzen Körper, sie würde wohl hier und jetzt ganz feucht werden.
Völlig deplatziert. Geradezu absurd.
Von grimmiger Bewunderung erfüllt, sah sie ihn zwischen den Klippen an der Küste verschwinden, so wie
sie es während der Fahrt besprochen hatten. Sie fuhr zum Treffpunkt und parkte am Straßenrand, in der Nähe einiger Felsen, schaute sich um und konnte niemanden entdecken. Natürlich würden diese Gangster nicht wie Wegweiser in der Gegend herumstehen.
Was mochte Wyatt jetzt tun? Ob das TAG-Team schon hier war? Oder hätte sie gründlicher über die Fragen nachdenken sollen, die Wyatt ihr in MLs Haus gestellt hatte?
Woher willst du wissen, dass deine Schwester nicht mit diesen Typen unter einer Decke steckt?
Sie beobachtete einen Wanderfalken, der am Himmel seine Kreise zog. Nach einer Weile flog der majestätische Vogel davon. Sie schnallte sich die Tasche mit der Platine um und stieg den steinigen Weg zu einem grasbewachsenen Plateau hinauf. Dabei versuchte sie erst gar nicht, sich unauffällig zu bewegen. Je mehr Aufsehen sie erregte, desto weniger würden die Schurken auf Wyatt und das TAG-Team achten.
Am Ende des Wegs betrat sie smaragdgrünes Gras. Rauschend schlug die Brandung gegen die zerklüftete Küste und übertönte Faiths Herz, das wie wild raste.
»Das ist weit genug, Miss Black!«
Abrupt hielt sie inne und sammelte ihre Kräfte, so dass sie in ihrem Innern pulsierten, jederzeit einsatzbereit. Die Sonne, eine helle Kugel am Horizont, warf blendendes Licht auf zwei Männer und eine Frau, die hinter den steinernen Ruinen auftauchten. Aus den Augenwinkeln sah Faith ein Funkeln, auf ihren Armen sträubten sich die winzigen Härchen. Offenbar war sie in ein Fadenkreuz geraten. Um das zu erkennen, musste
sie ihren Blick von der Gruppe, die auf sie zukam, nicht abwenden.
Die Männer blieben stehen, die Frau ging weiter. Bei jedem ihrer Schritte pochte Faiths Herz. Dunkles Haar umrahmte ein schmales Gesicht, dunkle Augen starrten sie an.
Liberty.
Mit einem stechenden Schmerz wich der Atem aus Faiths Lungen. Dass sie ihn angehalten hatte, war ihr gar nicht bewusst gewesen. Sie tat
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