Geliebte des Blitzes
ihm verlangte.
»Nur zu deinem eigenen Wohl, Wyatt. Sonst dauert es womöglich Jahre, bis du wirklich weißt, was du tun kannst. Wenn diese Frau …«
»Faith. Sie heißt Faith.«
»Wenn Faith bereit wäre dir zu helfen, solltest du diese Hilfe akzeptieren.«
»Und wenn nicht?«
»Dann werde ich mit dir arbeiten – ganz egal, wie viel Zeit wir brauchen. Dein Platz ist hier, bei ACRO. Das weißt du.«
Wyatt nickte. Ihm zitterten die Knie, als er aufstand und zum Fenster ging. Ein paar Sekunden lang presste er seine Stirn und die Handflächen an das kühle Glas, betrachtete die Hügel und das bunte Herbstlaub. Nun fühlte er sich nicht mehr ganz so verunsichert wie zuvor. Sein Gleichgewichtssinn war noch immer nicht ganz in Ordnung. Aber die Erde drehte sich immerhin wieder um ihre Achse.
»Bring Faith zu mir, Josh.«
DIE BESICHTIGUNGSTOUR DURCH das Hauptquartier beeindruckte Faith. Mindestens die Hälfte der weitläufigen alten Militärbasis wurde kaum genutzt, aber das ganze Gebäude gut instand gehalten. Auf dem Gelände gab es sogar ein Pub, einen Park und einen Baseballplatz.
Wie Dev versprochen hatte, fuhr der Chauffeur des auf Glanz polierten schwarzen Hummer sie überall hin und führte ihr deutlich vor Augen, wie mühelos ihre winzige Firma vernichtet worden wäre, hätte sie sich gegen ACRO gestellt. Aus diesem Grund fand die Tour vermutlich überhaupt statt. Devs prahlerische Behauptung, seine Leute könnten TAG auseinandernehmen, war gewiss nicht übertrieben gewesen. Wie ein Insekt könnten sie Faith jederzeit zertreten. Und das wollte ihr der große Boss beweisen.
O Gott, diese Leute verfügten allein schon über eine Tier abteilung, die größer war als TAGs gesamtes Anwesen. Und in die Klinik, die sie jetzt mit ihrem Begleiter betrat, hätte die Hälfte des TAG-Gebäudes gepasst.
Sie warf einen Seitenblick auf Trance, ihren Fahrer und Aufpasser, und gewann den Eindruck, solche Besichtigungstrips würden nicht zu seinen normalen Pflichten gehören. Zweifellos hatte Dev jemanden gewählt, der sie überwältigen konnte, falls sie irgendwelche Schwierigkeiten machte.
Raffinierter Bastard. Gegen ihren Willen bewunderte sie ihn.
Sowohl TAG als auch ACRO mochten für die »Guten« arbeiten. Was keineswegs bedeutete, die beiden Organisationen würden nicht auf ihre eigenen Vorteile achten. Sie respektierte Dev, weil er seine Interessen und seine Leute schützte. Und sie war bloß froh, dass er ihr nicht wieder Annika als Babysitter zur Seite gestellt hatte.
»Ist das der letzte Stopp, Trance?«, fragte sie, während sie an der Notaufnahme vorbeigingen und einem Flur zwischen den Krankenzimmern folgten. Hoffentlich … Jede Minute, die sie in der Öffentlichkeit verbrachte, erhöhte das Risiko einer Begegnung mit Wyatt. So inständig sie sich auch nach ihm sehnte – noch einmal würde sie den Hass in seiner Miene nicht ertragen.
»Ja.«
Für einen Besichtigungsführer war Trance nicht besonders gesprächig. Aber er besaß die erstaunlichsten Augen, die sie je gesehen hatte. Wann immer er sie anschaute, fühlte sie sich beinahe wie ein Schaf, vom Schäferhund hypnotisiert.
Nicht nur Wyatt war eine Bedrohung für alle Frauen. Diese Wirkung konnte auch Trance ausüben, wenn er es wünschte.
Zwei Krankenschwestern nickten ihnen zu, und Faith versuchte erneut, mit Trance Konversation zu machen. »Wie viele Leute arbeiten hier?«
»Keine Ahnung.«
Sie verließen die Klinik durch eine Doppeltür an der Rückfront und gingen zu einem nur wenige Meter entfernten, im alten viktorianischen Stil erbauten Haus, die Psychiatrie, wie das Schild über der Tür bekundete.
Hier hält Wyatt sich ganz sicher nicht auf, dachte sie schweren Herzens. Sie folgten mehreren Korridoren und stiegen drei Treppenfluchten hinauf. Vor einer Tür blieben sie stehen, und Trance öffnete sie. Sofort wurde Faiths Überlebensinstinkt geweckt.
»Wohin gehen wir?«, fragte sie und weigerte sich, die Schwelle zu überqueren.
»Ich habe die Order, Sie hierherzubringen«, erwiderte Trance in kühlem Ton, der ihr so gebieterisch und unnachgiebig erschien wie ein Steinwall.
Über ihren Rücken rieselte ein Schauer. Vielleicht würde ACRO sie doch nicht so nett behandeln, wie sie es geglaubt hatte. Intuitiv versuchte sie ihr Talent zu aktivieren. Aber wie sie frustriert feststellen musste, verharrten die Energien außerhalb ihrer Reichweite. Auch im Jet hatte sie ihre Fähigkeiten nutzen wollen. Das war unmöglich
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