Geliebte des Blitzes
sie umarmen. Aber sie wich weiter unter das hervorstehende Oberdeck zurück.
»War wie immer mit dem Hubschrauber.«
»Du kommst genau zur richtigen Zeit.« Noch ein Schritt, dann bewegte sie sich etwas nach rechts, um Abstand zu halten. »Dieser Teststurm hat beschlossen, seinem eigenen Zeitplan zu folgen.«
Wie zwei rivalisierende Tiger umkreisten sie einander in entgegengesetzten Richtungen. Das war ihr Spielchen, seit sie aus beruflichen Gründen zu Gegnern geworden waren. »Das überrascht mich nicht«, erwiderte sie. »In deiner Nähe verläuft nichts normal.«
Sein Lächeln traf die Schwachstelle ihres Herzens. Darin bewahrte sie das Bild eines zerbrechlichen, schüchternen Jungen, der sie an der Akademie immer vor den schlimmen Rabauken hatte beschützen wollen.
»Stimmt. Gerade deshalb bin ich so faszinierend.« Auf seinen geschmeidigen langen Beinen pirschte er sich wieder an sie heran, ein Raubtier, dessen Beute sich exakt dort befand, wo er sie sich wünschte.
Auch Faith trat näher, nicht bereit, auch nur einen Zentimeter nachzugeben. Doch sie behielt alles genau im Auge, was ringsum geschah, denn sie wollte wissen, wann Wyatt aus dem Meer emportauchte. »Wie ich sehe, hat dein Ego keinen Kratzer abbekommen.«
»Dachtest du, das hätte sich in dem Jahr seit unserer letzten Begegnung geändert?« Er hob sein Kinn mit dem Grübchen, seine Augen färbten sich dunkler. »Sicher erinnerst du dich an die Nacht in Paris.«
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ja, sie erinnerte sich an den wilden Sex in Seans Hotelzimmer. Danach hatte er das zerbrochene Geschirr bezahlen müssen, den demolierten Fernseher und einen Spiegel. Und Faith musste auch bezahlen, und zwar mit ihrem eigenen Blut.
Er war mit einem Team seines Geheimdiensts nach Paris gereist. Und sie war allein gewesen, das einzige Mitglied ihrer viel kleineren Organisation, nur hatte er
so wie jetzt geglaubt, sie würde für niemanden fest arbeiten und Aufträge von zahlungskräftigen Kunden annehmen. Seine Leute versuchten sie zu töten und flohen anschließend mit der Beute – einem religiösen Kunstwerk, dem angeblich ein tödlicher Fluch anhaftete.
»Wie ich mich entsinne, mochte ich deine Freunde nicht.«
Als das Deck erneut unter dem heftigen Sturm erschauerte, widerstand sie dem Impuls, an der Reling Halt zu suchen. »Da wir gerade davon reden – gestern hat Marco offenbar versucht mich umzubringen.« Zweifellos wollte er vollenden, was er in Paris begonnen hatte.
In Seans Kinn zuckte ein Muskel. »Sicher wollte er mit dir nur seine Spielchen abziehen.«
»Ist es das, was wir beide jetzt auch machen?«
Plötzlich stürzte er sich auf sie. Obwohl sie ihn hätte abwehren können, ließ sie sich hinter einen dicken Balken stoßen, aus dem Blickfeld der neugierigen Sanitäter und Bohrarbeiter, die vom Oberdeck herunterschauten.
»Nein, Spielchen haben wir ganz bestimmt nicht nötig«, fauchte er, strich über ihr blutrotes Kettenhalsband, und sie musste ihre ganze Selbstkontrolle aufbieten, um nicht zusammenzuzucken. »Bei deinem Anruf war ich irritiert, was ich davon halten sollte.«
Seine Finger glitten hinab und wischten Regentropfen von ihrem Busenansatz. Auf dem Weg hierher hatte sie genau gewusst, sie würden es wie die Karnickel treiben. Aber jetzt missfiel ihr mit einem Mal der Gedanke, was an Wyatts Glanzleistungen in ihrem Bett lag. Die erstaunliche sexuelle Chemie, die sie mit Sean geteilt
hatte, war zuvor unübertroffen geblieben. Bis zu ihrer Begegnung mit Wyatt.
»Ich hatte keine Ahnung, an wen ich mich sonst wenden sollte.«
Er wich zurück, und sofort war der feindliche Agent wie weggeblasen. An dessen Stelle trat der Mann, in den sie sich vor so langer Zeit verliebt hatte. »Du sagtest, du hättest es satt, allein zu sein – allein zu arbeiten. Warum hast du dabei nicht erwähnt.«
Ein paar Hundert Aufträge hatte sie erledigt, fünfmal so oft Leute belogen, um sie durchzuziehen. Aber Sean zu belügen – das wäre ein schrecklicher Verrat, obwohl er sich schon vor Jahren für die Seite der Bösen entschieden hatte. Manchmal – so wie jetzt – glaubte sie jedoch ernsthaft, er würde sich umdrehen lassen.
»Wenn man sein eigener Boss ist, hat das gewisse Vorteile«, erklärte sie und löste sich aus seiner Nähe. Auf der Plattform und im Wasser war einfach zu viel los an Ablenkung, als dass sie sich ganz auf Sean konzentrieren hätte können. Und das konnte sich als fataler Fehler herausstellen, der
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