Geliebte des Blitzes
sich wahrscheinlich rächen würde. Das wusste sie. »Aber ich habe schon sehr gerne jemanden zur Deckung.«
»Wir haben einander immer Deckung gegeben.« Sean grinste. »Erinnerst du dich an den Mathematikprofessor, der mir vorwarf, ich würde schummeln?«
Lächelnd entsann sie sich, wie sie ihm geholfen hatte. Durch ihren mentalen Einfluss waren die Lippen des Mannes angeschwollen, und er hatte nicht mehr sprechen können. »Was war das für ein Vollidiot.«
In Seans Augen erschien ein Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte. Verwirrt versuchte sie die Furcht abzuschütteln, die ihr mit einem Schauder übers Rückgrat kroch.
Sie war immer fähig gewesen, seine Gedanken und Gefühle zu ergründen. Ehe sie noch über diese neue Entwicklung nachdenken konnte, flüsterte er leise: »Weißt du noch, wie ich mich revanchiert habe? Wie ich in jener Nacht in dein Zimmer kam und dich mit meiner Zunge dazu brachte, mich anzuflehen? Jetzt sind wir wieder zusammen. Jede Nacht wirst du mich anbetteln. «
»Das tue ich nicht mehr«, entgegnete sie, obwohl sie bei Wyatt erst letzte Nacht genau das getan hatte. O Gott, hoffentlich passierte ihm nichts.
Sie biss sich auf die Lippen und betrachtete das aufgewühlte Meer. Würde sich die Situation noch verschlimmern? So sicher war sie gewesen, sie hätte ihre Angst vor Gewitterstürmen überwunden – oder zumindest unter Kontrolle gebracht. Aber weil Wyatt in Gefahr schwebte, kamen die bösen Erinnerungen wieder zum Vorschein.
Wieder zum Vorschein war Wyatt dagegen noch nicht gekommen. Wie lange war er wohl schon unter Wasser? Zu lange, verdammt …
»So starrsinnig. Und schön. Schon immer warst du so schön, Faith … Faith?«
Sie blinzelte und schüttelte den Kopf, konnte nicht fassen, welchen Fehler sie soeben gemacht hatte. Wenn sie diese Mission überleben wollte, musste sie Sean vorgaukeln, ihr Interesse würde nur ihm gelten. Einen solchen
Ausrutscher durfte sie sich nicht mehr erlauben. Sonst würde sie weder Liberty noch ihre eigene Haut retten.
»Ja, tut mir leid. Gerade dachte ich, wie wundervoll es ist, dass wir wieder auf derselben Seite stehen.«
»So hätte es die ganze Zeit sein müssen. Unsere Wege hätten sich niemals trennen dürfen.«
Das hatte sie auch nie gewollt. Aber der britische Geheimdienst, die Förderer jener speziellen Schule, und die Organisation, für die er nach Abschluss des Studiums gearbeitet hatte, waren ihm immer unerträglicher erschienen. Faith hatte ihren eigenen Kurs eingeschlagen und hilflos seine wachsende Gefühlskälte beobachtet, seinen Hass. Vor drei Jahren hatte er der britischen Regierung den Rücken gekehrt und war zu Itor übergelaufen.
Trotz der Feindschaft konnten sie weder die gegenseitige körperliche Anziehungskraft leugnen, noch die Sentimentalität bezüglich ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Jedes Wiedersehen endete mit heißem Sex, obwohl es eigentlich mit seinem oder ihrem Tod hätte enden sollen.
Wahrscheinlich würde diesmal tatsächlich einer von ihnen sterben. Und selbst wenn sie beide mit dem Leben davonkamen – Sean würde ihr den Verrat niemals verzeihen.
»Wenn das wirklich was werden soll, besprechen wir besser, was Itor von mir erwartet«, meinte sie.
»Das werden wir tun. Aber zuerst will ich dir zeigen, was meine Wettermaschine zustande bringt. Gehen wir.«
Sie rührte sich nicht von der Stelle. »Hast du diesen Sturm heraufbeschworen?«
»Allerdings. Jetzt werden wir ihn noch verstärken – eine Wasserhose zu Ehren deiner Ankunft.«
Als würde das Unwetter zustimmen, zuckten grelle Blitze am Himmel, gefolgt von ohrenbetäubenden Donnerschlägen, und Faith konnte nicht anders als zusammenzucken.
»Du musst den Sturm abschwächen, Sean!«, schrie sie über dem Lärm, die Stimme hoch und schrill vor Entsetzen. »Da sind Taucher im Wasser!«
»So? Nicht allzu tief. Kein Grund zur Sorge.«
»Wenn sie auftauchen, müssen sie dekomprimieren, und die Wellen werfen sie womöglich gegen die Stützpfeiler. «
Sean lächelte ihr nachsichtig zu. »Das sind nur zwei Taucher. Komm.«
Ungläubig starrte sie ihn an. Wasser spritzte gegen ihre nackten Beine und füllte ihre Stiefel. »Lässt du sie sterben? Was stimmt denn nicht mit dir?«
»Wenn du für Itor arbeiten willst, musst du dir ein dickeres Fell zulegen, Babe.«
»Ja, großartig, darum werde ich mich bemühen.« Sie packte seinen Arm, so fest, dass ihm der Atem stockte. »Bitte, schalt das Gewitter runter. Wenn diese Männer
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