Geliebte des Blitzes
runzelte die Stirn. »Von meinem Abenteuer mit Wyatt wusstest du erst, nachdem du ihn mit der Pistole bedroht hattest. Worum ging es eigentlich bei diesem ganzen Theater?«
»Keine Ahnung!« Sean schob sie zur Seite und trat wütend gegen seinen Schreibtisch. »Ich bestellte ihn hierher, weil ich ihn feuern wollte. Dann bekam ich eine E-Mail von einem ›Informanten‹ – nur eine einzige Zeile. Direkt vor meiner Nase würde ein feindlicher Agent herumlungern, der es auf die Wettermaschine abgesehen habe. Und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, wollte ich ihm einen runterholen. Was zum Geier hat das zu bedeuten?«
In Faiths Gehirn schrillten alle möglichen Alarmglocken. Für einen kurzen Moment blieb ihr Herz stehen. Jemand hatte Sean mitgeteilt, ein Spion befinde sich auf der Bohrinsel. Und dann schlug ihr Herz wieder, bis in den Hals.
»Woran erinnerst du dich, Sean?«
Mit fünf langen Schritten durchmaß er das kleine Büro. »Gerade wollte ich den Sicherheitsdienst rufen, der Wyatt von der Plattform schaffen sollte«, murmelte er. »An alles Weitere erinnere ich mich kaum, es ist alles verschwommen, bis …«
»Bis ich hereinkam und dich aus deiner Trance riss.«
»Genau.«
In ihrer Fantasie spielte sie das Video ab. Wyatt hatte die Intimitäten kein bisschen genossen, aber Sean war vor lauter Lust verrückt gewesen. Das hatte sie sogar auf dem winzigen Bildschirm erkannt.
Und bei ihrer Ankunft im Büro hatte sie Wyatts Gesicht gesehen, eine Miene milder Konzentration, als wollte er sich vorstellen, er wäre woanders, vielleicht mit jemand anderem zusammen. Zu distanziert, unbeteiligt. Plötzlich war sie in wilde Ekstase geraten. Als wäre die Luft mit einer Droge infiziert worden, die alle Gedanken ausgeschaltet und nur Emotionen unterhalb der Gürtellinie zuließ. Nur eins hatte sie interessiert – Wyatt auszuziehen und ihr überwältigendes Verlangen zu stillen.
Welch ein machtvoller, intensiver Effekt – und unnatürlich.
Verdammt.
»Er ist ein Agent«, wisperte sie verblüfft. Doch der Schock verebbte sofort wieder, verdrängt von Zorn und Schmerz. Das beklemmende Gefühl eines niederträchtigen Verrats schwächte ihre Knie, und sie musste eine Handfläche gegen die Wand pressen, um nicht zusammenzubrechen.
Hatte er die ganze Zeit Bescheid über sie gewusst? Hatte er geplant, sie gegen Sean zu benutzen oder die Wettermaschine zu entwenden? Oder vielleicht arbeitete er mit den Schurken zusammen, die Liberty entführt hatten, und war beauftragt worden, deren Schwester zu beschatten.
Sie entsann sich, wie er sie vor einer halben Stunde an der Reling in seinen Armen gehalten und ihr gestanden hatte, sie würde ihn ganz durcheinanderbringen. Während er von seiner unglücklichen Jugend auf einer Bohrinsel erzählt hatte, war ihm ihr Herz entgegengeflogen. Spielte er mit ihr, wie James Bond mit seinen diversen Gefährtinnen? Nein, irgendetwas an dieser Theorie stimmte nicht. Denn sein Zorn war echt gewesen, als der Bodyguard sie geschlagen hatte.
Und er hielt sie tatsächlich für eine Buchprüferin. Deshalb sollte sie sich eigentlich nicht besser fühlen. Aber diese Erkenntnis tröstete sie ein wenig.
Mitten im Büro fuhr Sean herum. »Ein Agent? Glaubst du wirklich?« Wie Säure troff Sarkasmus aus seiner Stimme. »Und du hast mit ihm geschlafen.«
»Beruhige dich«, seufzte sie und verbarg den Aufruhr ihrer eigenen Gefühle. »Wer oder was ich bin, weiß er nicht. Er glaubt, ich sei eine Buchprüferin. Und wir haben keine Ahnung, für wen er arbeitet. Wir kennen nicht einmal seine speziellen Fähigkeiten.«
»Abgesehen von Verführungskünsten, für die jeder Profi-Verführer morden würde?« Sean rieb sich das Kinn. »O Gott, was hätte ich beinahe getan?«
»Nach meiner Meinung war das offensichtlich.« Faith ertappte sich dabei, wie sie mit ihrem Halsband spielte. Hastig ließ sie ihre Hand sinken. »Was hast du mit ihm vor?«
Sean höhnisches Gelächter raubte ihr jede Hoffnung, er könnte milde gestimmt sein. »Was erwartest du denn?«
Das überraschte sie nicht, und sie fühlte sich elend. Wozu Sean – und Itor – fähig waren, wusste sie genau.
Sie wusste auch, dass sie Wyatt nicht helfen konnte. Und als Sean einen Finger in ihre Brust bohrte und dabei lächelnd sagte: »Er ist dein Liebhaber, also wirst du diese ehrenvolle Aufgabe übernehmen« – da wusste sie, dass sie nicht einmal das Geringste tun konnte, um sich selbst zu helfen.
9
W ENN WYATT GLÜCK HATTE, würde
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