Geliebte des Schattens - Kenyon, S: Geliebte des Schattens - Seize the Night (Dark Hunter 07)
»Es war Ulric. Und jetzt werde ich ihn töten.«
Nick ging die Ursulines entlang in Richtung des Hauses in der Bourbon Street, das er gemeinsam mit seiner Mutter bewohnte. Nach Valerius’ Anruf wegen Tia hatte er sich umgehend auf den Weg gemacht, um nach seiner Mutter zu sehen, die Spätschicht im Sanctuary hatte.
Er hatte ohnehin vorgehabt, vor der Bar auf sie zu warten, deshalb hatte ihn der Anruf gewissermaßen vor der Tür erreicht.
Doch Dev Peltier, einer der Bären, dem das Sanctuary gehörte, hatte ihn bereits an der Tür informiert, dass seine Mutter früher Schluss gemacht hatte und nach Hause gegangen war, weil sie sich nicht wohlgefühlt hatte. Im ersten Moment war Nick stocksauer auf Dev gewesen, bis dieser ihm erklärt hatte, dass Ulric so nett gewesen war, sie zu begleiten.
Angesichts seiner geprellten Rippen war sie in Begleitung eines Dark Hunters wesentlich sicherer als in seiner, trotzdem verspürte er das dringende Bedürfnis, nach dem Rechten zu sehen.
Seit er denken konnte, war er mit seiner Mutter allein, die mit fünfzehn von einem Arbeitskollegen geschwängert und verlassen worden war und seitdem für sich und
ihren Sohn sorgte. Er hätte es ihr noch nicht einmal übel genommen, wenn sie sich gegen ihn entschieden hätte, doch das hatte sie nicht getan.
Du bist das Einzige in meinem Leben, das ich richtig gemacht habe, Nicky, ich danke Gott jeden Tag dafür, dass er dich mir geschenkt hat.
Genau aus diesem Grund liebte er sie.
Nick hatte seine Großeltern niemals kennengelernt, weder väterlicher- noch mütterlicherseits. Verdammt, wie oft er seinen eigenen Vater gesehen hatte, konnte er an den Fingern einer Hand abzählen, und er erinnerte sich nur an eine einzige Gelegenheit. Damals war Nick zehn gewesen, und sein Vater hatte eine Bleibe für die längste Phase seines Erwachsenenlebens gebraucht, die er in Freiheit verbrachte - drei ganze Monate.
Es war das reinste Klischee gewesen. Sein Vater war bei ihnen eingezogen, hatte sich ein Bier nach dem anderen hinter die Binde gekippt und sie terrorisiert, bis ein Kumpel ihn zu einem Banküberfall überredet hatte, in dessen Verlauf sein Vater vier Menschen erschossen hatte. Man hatte ihn innerhalb kürzester Zeit verurteilt, ehe ihm ein Jahr später ein Mitgefangener bei einem Aufstand die Kehle durchgeschnitten hatte.
Cherise Gautiers Männerwahl ließ schwer zu wünschen übrig, aber als Mutter …
War sie absolut einzigartig.
Nick würde absolut alles für sie tun.
Sein Funkgerät rauschte. Wahrscheinlich Otto, der ihm mit irgendetwas auf die Nerven gehen wollte.
Doch es war nicht Otto.
Valerius’ Stimme mit dem deutlichen Akzent drang durch die Stille in der Leitung. »Nick, bist du da?«
Genau das hatte er heute Nacht noch gebraucht. Er schnitt eine Grimasse und riss das Telefon von seinem Gürtel. »Was?«
»Ich wollte dir nur sagen, dass Ulric in Wahrheit Desiderius ist. Er hat Tia ermordet. Keine Ahnung, wen er sich als Nächstes ausgesucht hat, aber vielleicht solltest du sehen, ob mit deiner Mutter alles in Ordnung ist.« In dieser Sekunde drang eine Stimme durch den Äther, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Oh, warte…«, hörte er Desiderius frohlocken, »jetzt ist sie tot.« Er gab ein schmatzendes Geräusch von sich. »Hmm. Null negativ. Meine Lieblingsgruppe. Natürlich wird es dich freuen zu hören, dass ihre letzten Gedanken dir gegolten haben.«
Nick blieb einen Moment stehen, ehe er das Telefon fallen ließ und losstürmte, so schnell er konnte.
Wieder und wieder fluteten Bilder seiner Mutter durch sein Gedächtnis. Daran, wie sie ihn geneckt hatte, als er noch klein gewesen war. An ihren unübersehbaren Stolz, als er verkündet hatte, dass er aufs College gehen würde.
Seine geprellten Rippen schmerzten, doch das kümmerte ihn nicht. Sollten sie doch seine Lungen durchstoßen!
Er musste zu ihr.
Als er das Tor zur Auffahrt erreichte, zitterte er so heftig, dass er kaum den Code der Alarmanlage eingeben konnte.
»Herrgott, geh schon auf!«, stieß er hervor, als ihm das System beim ersten Mal den Zugang verwehrte.
Er versuchte es noch einmal.
Die Tore schwangen langsam auf. Unheilvoll langsam.
Noch immer atemlos vor Angst und Erschöpfung, stürzte er die Auffahrt hinauf bis zur Eingangstür.
Sie war unverschlossen. Er trat ein, bereit, sich dem Kampf zu stellen, und ging in die Küche, wo er die Glock.31 aus der Schublade neben dem Herd nahm. Er überprüfte das Magazin, um
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