Geliebte Fälscherin (German Edition)
Reich der Fabeln.
Er schaute auf seine Taschenuhr und beschloss gerade aufzubrechen, als die Bürotür aufging. Ein Mann kam heraus und nickte der Sekretärin zum Abschied zu, bevor er den Raum verließ.
Die Sekretärin stand auf und hob eine Hand, um Sutton aufzufordern, noch zu warten. Sie betrat das Büro des Obersts und kehrte einen Moment später zurück. Sie schaute ihn an und mied gleichzeitig seinen Blick. „Oberst Wilmington empfängt Sie jetzt, Mr Monroe.“
Sutton wusste, dass er es sich vielleicht nur einbildete, aber er hatte das Gefühl, dass sie etwas über ihn wusste, das sie wenige Sekunden vorher noch nicht gewusst hatte.
Er musste sich zu jedem Schritt zwingen, als er in das Büro des Obersts trat.
„Mr Monroe.“ Oberst Wilmington kam ihm einige Schritte entgegen. Er nickte kurz und reichte ihm die Hand. „Ich bin Oberst Wilmington. Ich kann mir denken, warum Sie hier sind, Sir.“
Während er den Handschlag dieses Mannes erwiderte, dachte Sutton an etwas, das sein Vater ihm gesagt hatte, als er noch ein Junge gewesen war. „Nicht nur die Festigkeit des Handschlags eines Mannes definiert ihn, mein Junge. Jeder Idiot kann einen festen Handschlag haben. Die Art, wie ein Mann dir in die Augen schaut oder nicht, verrät dir, wer er ist. Sein Blick verrät dir, ob er ehrlich zu dir ist oder nicht.“
Der Ernst im Gesicht des Obersts, der feste Griff seiner Finger, die einen Moment zu lang Suttons Hand festhielten, verrieten ein Zögern und ein Bedauern und sagten Sutton alles, was er nicht wissen wollte.
35
C laire stieg die Treppe hinauf, die vom großen Salon in den ersten Stock führte. Abwechselnd schaute sie auf das schwere Silberservice, das auf dem Tablett in ihren Händen stand, und auf ihre Schritte auf dem weichen, roten Teppich. Und das alles geschah unter dem majestätischen Blick von Königin Victoria.
Auf halber Höhe, wo die Treppe sich teilte und nach links und rechts abzweigte, hing das Porträt von Englands Monarchin in Überlebensgröße, als wartete die Königin höchstpersönlich, welche Richtung Claire einschlagen würde. Claire wäre gern stehen geblieben und hätte das Gemälde betrachtet. Sie hatte es noch nie aus der Nähe gesehen. Aber das Teeservice wurde mit jeder Sekunde schwerer, außerdem wartete Mrs Acklen auf sie.
Die geteilte Treppe war ein Kunstwerk für sich – reiche Mahagoniholzarbeiten und kunstvoll geschnitzte, weiße Treppenpfosten. Zwei Alkoven in den geschwungenen Wänden auf beiden Seiten wurden von einer Marmorbüste eines Mannes einerseits und einer Vase mit frisch geschnittenen Heckenrosen auf der anderen Seite geschmückt.
Sie entschied sich für die linke Treppe und stieg zur Empore im ersten Stock hinauf, wo alles still war. Reihen aus schmalen, rechteckigen Fenstern unter der Decke befanden sich entlang der ganzen Empore und ließen reichlich Sonnenlicht hinein. Eine andere Treppe, die kleiner war, führte noch weiter nach oben. Zur Kuppel, vermutete sie. Oh, wie gern würde sie dort hinaufsteigen. Von dort oben hatte man bestimmt einen atemberaubenden Blick.
Aber sie könnte sich den Blick viel besser vorstellen, wenn ihre Arme nicht so schmerzen würden!
Sie stellte das Tablett vorsichtig auf einen Seitentisch und achtete genau darauf, dass sie das Gewicht richtig verteilte. Kein Wunder, dass Cordina sie zweifelnd angeschaut hatte, als sie sich angeboten hatte, das Tablett selbst zu tragen. Die schwere Silberkanne, die randvoll mit dampfendem Wasser gefüllt war, wog wahrscheinlich allein schon zehn Pfund. Ganz zu schweigen von dem Tablett, den Tassen und Untertassen, dem Zucker und der Milch und dem Teller mit frischen Teeplätzchen.
Claire schaute nach beiden Seiten, um sicherzugehen, dass der Flur leer war, und steckte sich dann ein Plätzchen in den Mund. Das war nicht sehr damenhaft, aber oh … Cordinas Teeplätzchen waren köstlich. Winzig kleine kuchenähnliche Plätzchen, die mit Puderzucker bestäubt waren. Wie schaffte Cordina es nur, dass sie so feucht und gleichzeitig …
„Kann ich Ihnen helfen, Miss Laurent?“
Claire verschluckte sich fast und drehte sich um.
In einem Türrahmen nicht weit hinter ihr auf dem Flur stand Mrs Routh. Claire war sich inzwischen sicher, dass diese Frau durch Wände gehen konnte. Sie kaute panisch und mit vollen Backen und hob verlegen einen Finger. Sie versuchte zu schlucken und wünschte sich einen Schluck Tee, wusste aber, dass sie alles nur noch schlimmer machen würde, wenn sie
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