Geliebte Fälscherin (German Edition)
Morgen länger schlafen würde. Aber sie war um Viertel nach sieben aufgewacht und konnte es nicht erwarten zu malen. Während sie sich wünschte, sie hätte ein Glas von Cordinas gesüßter Eislimonade, hörte sie etwas, das fast genauso erfrischend klang.
Sie schulterte ihre Last erneut, fasste die Leinwand an der Kante und ging über die Wiese zum Bach.
Sie hatte an diesem Morgen auf dem Höhenzug gestanden, den Blick über die Wiesen auf Belmont gerichtet. Doch dann hatte sie das Gefühl gehabt, ihr Blick werde zu dem Hügel in der Ferne gelenkt, auf dem Suttons Familienhaus früher gestanden hatte. In diesem Moment hatte sie endlich begriffen, welchen Blick sie einfangen wollte, und hatte ihn gemalt. Ein Schirm hatte ihr geholfen, das strahlende Sonnenlicht zu dämpfen und die Farben richtig zu erkennen, aber sie freute sich darauf, diesen Blick noch einmal zu malen, bis sie ihn richtig einfing.
Sie warf einen Blick auf die Leinwand hinab und achtete darauf, dass das Wintergras die Ölfarben nicht berührte. Mit einer wachsenden Gewissheit hörte sie die Antwort, die in ihr immer stärker wurde. Ich werde malen, auch wenn es nur für dich ist.
Sie rechnete damit, dass Sutton ihren Brief in ein paar Tagen erhielt und sie betete, dass ihre Bitte ihn dazu bewegen würde, bald nach Hause zu kommen. Sie sah ihn im Geiste wieder vor sich, wie er beim Empfang für Madame LeVert mit Andrew Stanton gesprochen hatte. Sie glaubte zwar zu verstehen, aus welcher Motivation heraus er ihm diese Antwort gegeben hatte, aber trotzdem hätte sie ihn am liebsten kräftig geschüttelt.
Sie konnte es nicht erwarten, wieder mit ihm zusammen zu sein.
Als sie den Felsen sah, der aus dem Hang herausragte, war es, als sähe sie einen alten Freund wieder. Sie stellte die Leinwand in eine geschützte Felsspalte und legte ihre Sachen daneben ab. Dann kniete sie am Bachufer nieder und tauchte die Hand hinein. Die eisige Kälte fühlte sich wie eine Berührung des Himmels an, und sie trank, bis ihr Durst gestillt war.
Aus einer spontanen Laune heraus zog sie ihre Stiefel und Strümpfe aus und tauchte die Füße ins Wasser. Sie lehnte sich zurück, hielt das Gesicht in die Sonne und stieß ein tiefes Seufzen aus. Dieses Seufzen fühlte sich an, als hätte es sich über Monate, wenn nicht sogar Jahre, in ihr aufgebaut. Während sie hier saß, tauchte das Gesicht ihrer Mutter vor ihrem inneren Auge auf. Sie wünschte, sie hätte noch das Medaillon, aber auch ohne das Bild konnte sie das Lächeln ihrer Maman deutlich vor sich sehen.
Da sie wusste, dass der Tag verging und viel Arbeit auf sie wartete, stand Claire auf und wollte ihre Stiefel und Strümpfe nehmen, hielt dann aber inne, als sie den tiefen Teich ein Stück bachabwärts sah. Sie warf einen Blick hinter sich und schaute sich dann nach allen Seiten um. Die Stelle befand sich in einer geschützten Nische. Sie war allein.
Als sie den Rand des Wassers erreichte, hatte sie ihr Kleid vorne schon aufgeknöpft. Sie legte es neben sich. Danach kamen ihr Reifrock und ihre Unterröcke, bis sie nur noch in ihrem Unterhemd und in ihrer langen Damenunterhose dastand. Sie watete in den Teich und atmete tief ein, als das Wasser um ihre Knöchel spielte. Als sie sich der tiefen Stelle näherte, ging ihr das Wasser bis zu den Waden und dann bis zur Hüfte. Als das Wasser ihre Brust erreichte, wusste sie, dass sie nicht umkehren konnte und wollte, aber oh … es war eiskalt.
Sie atmete tief ein, schloss die Augen und tauchte ganz unter. Für ein paar kurze Sekunden verschwand die Welt über ihr aus ihrem Blickfeld. Der Wunsch, sauber zu sein, die Sehnsucht, ihr altes Leben zu begraben, die Verheißung eines neuen Lebens, das jeden Winkel ihres Herzens durchdrang, verdrängten die letzten Zweifel aus ihrem Denken.
Sie wusste nicht, wie sie dabei vorgehen sollte, um diese Welt neu zu gestalten, die sie sich geschaffen hatte, ohne sie vollkommen zu zerstören. Aber sie vertraute darauf, dass der Töpfer es wusste, dass er es ihr zeigen würde und sie so formen würde, wie er sie haben wollte.
* * *
Belmont tauchte vor seinen Augen auf, und Sutton ritt langsamer. Er wollte der Stute, die er sich aus dem Mietstall in der Stadt ausgeliehen hatte, Gelegenheit geben, sich auszuruhen. Aber er wollte auch sich selbst einen Moment Zeit gönnen, um noch einmal im Geiste durchzugehen, was er zu Claire sagen würde, wenn er sie sah. Vergib mir, dass ich so ein Dummkopf war, genügte wahrscheinlich nicht,
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