Geliebte Fälscherin (German Edition)
vermutlich nie entfliehen konnte.
Bitterkeit regte sich in ihm. Das alles war so ungerecht. Der Norden war fest entschlossen, ihm alles zu rauben. Sie hatten schon seinen Vater getötet und das Haus seiner Familie niedergebrannt. Jetzt wollten sie ihm auch noch sein Land, sein Erbe und seine Zukunft nehmen. Er dachte an seine Mutter. In gewisser Weise hatten sie ihm auch seine Mutter geraubt. Nach allem, was sie hatte mitansehen müssen, würde sie nie wieder dieselbe sein.
Wenn er nur an dem Nachmittag, an dem es passierte, zu Hause gewesen wäre …
Er schloss kurz die Augen. Seine Mutter hatte ihm jedes schmerzliche Detail geschildert. Der Unionsoffizier war in voller militärischer Begleitung zum Haus geritten. Sein Vater hatte den Offizier oben auf den Verandastufen begrüßt und ihm die Hand zum Gruß gereicht. Seine Mutter sagte, Anschuldigungen seien gefolgt, danach Drohungen und ein letztes Ultimatum. Dann hatte der Hauptmann seine Waffe gezogen, auf seinen Vater gezielt und abgedrückt.
Fast zwei Jahre waren seitdem vergangen, und trotzdem erschien es ihm immer noch wie ein Albtraum.
Und jetzt behauptete die Regierung, sein Vater hätte als Erster eine Feuerwaffe gezogen. Sein Vater – ein Pazifist, ein Arzt, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, Menschenleben zu retten. Sein Vater, der in seinem ganzen Leben nie eine Waffe besessen hatte, wenigstens konnte Sutton sich nicht daran erinnern. Als Junge hatte er von seinem Großvater das Schießen gelernt, weil sein Vater sich geweigert hatte, es ihm beizubringen. Das war etwas, das Sutton nie verstanden hatte und wahrscheinlich auch nie verstehen würde.
Wenn er nur mit einem Mitglied des Untersuchungsausschusses sprechen könnte. Persönlich vor dem Ausschuss aussagen könnte. Abschlussplädoyers waren seine größte Stärke als Anwalt, hatte Mr Holbrook ihm immer wieder gesagt.
Sutton verdrängte das letzte Bild von seinem Vater aus seinen Gedanken, trieb den Hengst weiter und ritt neben Holbrooks Stute her. Die beiden Männer ritten schweigend nebeneinander die von Zedern überschattete Auffahrt zur Hauptstraße hinab und dann weiter in Richtung Stadt.
In der Ferne läuteten Kirchenglocken. Ihre Töne klangen über die Hausdächer bis zu ihnen und lenkten Suttons Aufmerksamkeit auf einen Kirchturm in der Nähe. Mademoiselle Claire Elise Laurent. Ein Name und eine Frau, die man nicht so schnell wieder vergaß. Er war dankbar für das angenehme Bild, das in seine Gedanken drang, besonders da es ein so entzückendes Bild war, aber er wusste, dass er angesichts seines Einvernehmens mit Cara Netta dieses Bild wahrscheinlich verdrängen sollte.
Trotzdem wünschte er, er hätte heute Morgen mehr Zeit gehabt. Er hätte Miss Laurent gern mehr geholfen. Andererseits war Pastor Bunting die richtige Person gewesen, um der jungen Frau zu helfen. Aus vielen Gründen.
Ein Lächeln zog über seine Lippen. Ihre Miene, als er sich zum Gehen gewandt hatte … Als wollte sie ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen.
Sie ließ sich nicht so schnell einschüchtern, das hatte er gesehen. Aber er hatte auch eine Scheu an ihr entdeckt. Fast Angst. Aber das war verständlich, wenn sie in der Stadt angekommen war und feststellen musste, dass sie keinen Ort hatte, an den sie gehen konnte. Keinen Platz, wo sie wohnen konnte. Aber was für eine Dame reiste ohne Begleitung und ohne festes Ziel?
„Mildred hat gestern einen Brief von Ihrer Mutter bekommen.“
Sutton warf einen Blick neben sich und versuchte, Mr Holbrooks Miene zu deuten. Seine Mutter hatte ihm auch geschrieben. Vor drei Monaten. Er hatte ihren Brief umgehend beantwortet, seitdem aber keine Antwort mehr bekommen. Eine längere Pause in ihrer Korrespondenz war kein Grund zur Sorge. Wenigstens hatte er das gedacht.
Seine Mutter hatte schon immer ihre Phasen gehabt, in denen es ihr schwerfiel, zur Ruhe zu finden, und in denen es mühsam für sie war, ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Doch diese Zeiten waren seit dem Tod seines Vaters schlimmer geworden.
„Mildred hat mir erlaubt, den Brief zu lesen, da sie überzeugt war, dass sie damit kein Vertrauen missbrauchen würde. Das hat sie auch nicht.“ Holbrook schien seine nächsten Worte sorgfältig auszuwählen. „Ihre Mutter klingt … etwas besser.“
Sutton richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. „Was heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, dass es ihr immer noch nicht gut geht. Wenigstens nicht so gut, dass sie zurückkehren
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