Geliebte Gefangene
Greville? Ihr, die Ihr jetzt mit einem Parlamentarier verheiratet seid?“
„Das ist etwas anderes“, erwiderte Anne heftig. „Ich habe niemals meinen Treueschwur verraten!“
„Nein, Ihr habt Euren Ehemann verraten, um Eurem König die Treue zu halten“, stimmte ihr Malvoisier zu. „Wie fühlt sich das an, Lady Greville? Mit dem Feind verheiratet zu sein …“
„Mein Ehemann ist vielleicht ein Feind des Königs. Aber er ist ein besserer Mann, als ihr es je sein werdet, Malvoisier.“ Tränen brannten in ihren Augen. „Ich wünschte nur, ich hätte das früher erkannt.“
„Nun gut“, sagte Malvoisier, „es ist jedenfalls Zeit, dass wir uns auf den Weg machen.“ Voller Spott lächelte er Anne an.„Ich habe noch eine Kugel übrig, und es macht mich sehr glücklich zu wissen, dass sie für Euch ist.“
In diesem Moment drang ein Geräusch aus den Bäumen links von ihnen, das unverwechselbare Geräusch von klirrendem Pferdegeschirr. Malvoisier erstarrte, den Kopf nach oben gewandt, wie der eines Tieres, das Gefahr wittert.
„Soldaten“, keuchte Anne.
„Das werden meine Männer sein“, sagte Malvoisier, aber die Überlegenheit war aus seiner Stimme verschwunden, und er blickte gehetzt um sich wie ein gejagter Hirsch.
Hoffnung brandete in Anne auf, wild und unkontrollierbar. Es gab eigentlich keinen Grund dafür, aber eine tiefe innere Überzeugung sagte ihr, dass irgendwo in dem Gebüsch Simon wartete. Er konnte nicht angreifen, denn Malvoisier hatte noch immer die Prinzessin in seiner Gewalt. Doch plötzlich wusste Anne genau, was sie tun musste.
Sie fing Malvoisiers Blick auf und hielt ihn. „Simon!“ Sie schrie seinen Namen, so laut sie konnte, und hoffte, dass er ihr vertrauen und aus seinem Versteck kommen würde, sollte er tatsächlich da sein. Aber es könnten auch Malvoisiers Männer sein. In dem Fall wäre ihr Schicksal besiegelt. Doch Anne redete sich ein, dass es nicht seine Männer waren. Sie klammerte sich blind an diese Hoffnung. Die Zukunft hing an einem seidenen Faden, Elizabeths Leben und ihr eigenes, und vor allem ihre Zukunft mit Simon …
Sie sah, wie Malvoisier herumwirbelte, und wusste, dass sie ihn überrascht hatte. Er hatte nicht geglaubt, dass sie es wirklich darauf ankommen lassen und Elizabeths Leben riskieren oder Simon in Gefahr bringen würde.
Für einen Moment war es beängstigend still, und Anne fühlte Verzweiflung in sich aufsteigen.
Dann, in einem Durcheinander aus plötzlichem Lärm, passierte alles auf einmal.
Simon brach hinter ihr auf die Lichtung, ein Trupp Männer hinter sich. Er trug keine Rüstung, und sie begriff, dass er sich in dem ersten verzweifelten Moment, als er bemerkte, dass sie fort war, nicht die Zeit genommen hatte, sich zu rüsten, weil dieser kostbare Augenblick den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten konnte. Aber es bedeutete auch, dass er gefährlich verwundbar war.
Malvoisier hob die Pistole, um zu schießen. Anne stürzte sich auf ihn, riss Elizabeth aus seinem Griff und drehte sich um, um sie Simon in die Arme zu drücken. Für einen wichtigen Moment schützte sie sowohl die kleine Prinzessin als auch ihren Ehemann mit ihrem eigenen Körper. „Nimm sie!“, sagte sie zu ihm. „Ich vertraue darauf, dass du sie in Sicherheit bringst.“
Malvoisier schoss, und für einen Augenblick fühlte sie nichts. Nichts außer einer großen Erleichterung, denn sie hatte in Simons Gesicht gesehen und wusste, er würde sie nicht enttäuschen. Elizabeth war in Sicherheit.
Malvoisier hatte jetzt keine Gelegenheit mehr, die Pistole nachzuladen. Offensichtlich hatte er Simon töten wollen, aber sie hatte das verhindert. Sie hatte auch ihren Ehemann gerettet.
Dann traf sie der Schmerz und raubte ihr den Atem. Ihre Beine schienen all ihre Kraft zu verlieren, und sie fiel.
Als sie auf dem Boden aufkam, konnte sie schon nichts mehr fühlen.
Langsam öffnete sie die Augen, doch in dem Raum war es dunkel, und sie konnte nichts sehen. Sie wusste, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, und für einen Moment fühlte sie sich so verlassen und einsam wie damals, als sie nach dem Feuer er wachte und wusste, dass ihr Vater tot war.
„Papa?“ Es war kaum mehr als ein Flüstern.
Neben ihr rührte sich etwas, und sie hörte eine Stimme. „Gott sei’s gedankt! Sie ist aufgewacht!“
Doch als sie den Kopf drehte, sah sie nichts als Schatten, und die Anstrengung war so groß, dass sie die Augen wieder schloss und zurück in den Schlaf glitt.
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