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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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„Der Schatz des Königs – es ist ein Kind. Simon, es ist Prinzessin Elizabeth.“
    Diesmal war das Gefühl, das Simon überkam, kalte, harte Ernüchterung. Anne hatte geglaubt, dass er ein Mann war, dem man nicht die Sicherheit eines Kindes anvertrauen konnte. Sie hatte das Geheimnis vor ihm bewahrt, weil sie glaubte, dass er ein Kind benutzen würde, um seine eigenen Ziele oder die seiner Sache zu verfolgen. Wie blind starrte er seinen Bruder an. Der Schlag, den diese Erkenntnis ihm versetzt hatte, war so erschütternd, so schmerzhaft, dass er glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.
    Henry schüttelte seinen Arm und holte ihn zurück in die Gegenwart. „Wir müssen ihr folgen. Es war verrückt von ihr, allein zu gehen.“
    Simon antwortete nicht. Er war so wütend und verletzt und fühlte sich so betrogen, dass er nicht glaubte, sich Henry je verständlich machen zu können.
    „Simon!“ Henry wurde ungeduldig. „Hörst du nicht? Anne ist in Gefahr und die Prinzessin auch …“
    Er brach ab, als die Tür aufgestoßen wurde und Will Jackson in den Raum stürzte.
    „Malvoisiers Truppen wurden auf den Wiesen bei Braden gesehen, Mylord“, stieß er hervor. „Gerard Malvoisier selbst ist gesehen worden.“
    „Braden“, sagte Henry. Seine Lippen waren plötzlich blutleer. Er griff nach Simons Arm. „Anne ist im Wald bei Braden! Wirst du nun endlich kommen?“
    Simon war schon halb aus der Tür. Er betete, dass er nicht zu spät kam.
    Es war ein langer, Furcht einflößender Weg durch den Wald von Braden zu dem Ort, an dem der Bote des Königs wartete. Anne ging schnell und hielt Elizabeth fest an der Hand. Meg, das Kindermädchen, war schon vorher aufgebrochen, um keinen Verdacht zu erregen. Sie hatten nicht reiten können, denn da mit hätten sie in Grafton zu viel Aufmerksamkeit erregt. Stattdessen hatte Anne gewartet, bis das Durcheinander von Simons Kriegsvorbereitungen seinen Höhepunkt erreicht hatte und war dann neben einem Proviantkarren durch das Haupttor geschlüpft. Niemand hatte sie bemerkt. Sie waren alle zu sehr mit der kommenden Schlacht beschäftigt.
    Ein Knoten aus Angst schnürte Annes Magen zusammen, aber seltsamerweise fühlte sie auch ein Gefühl der Befreiung. Endlich konnte sie die Bürde, die der König ihr mit seinem Auftrag aufgeladen hatte, ablegen. Endlich wäre Prinzessin Elizabeth sicher. Und dann konnte sie, Anne ihrem Ehemann mit leichtem Herzen und ohne Geheimnisse gegenübertreten.
    Die verwelkten Blätter des letzten Herbstes raschelten unter ihren Füßen. Das Sonnenlicht fiel durch die Baumkronen auf den Waldboden, und die Luft war erfüllt von frischen Frühlingsdüften. Elizabeth fiel etwas zurück. Es war eine lange Strecke für ein Kind.
    „Es ist nicht mehr weit, Kleines“, ermutigte Anne sie und zeigte nach vorne. „Siehst du die alte Köhlerhütte? Da warten Soldaten, um dich zu deinem Vater zu bringen …“
    Es war vollkommen still, als sie zu der Hütte kamen. Anne umrundete sie vorsichtig, das Kind an der Hand. Die Tür verschwand fast unter Efeu, und drinnen herrschte grünes Dämmerdunkel. Die Vögel oben in den Bäumen waren verstummt. Anne fühlte, wie Elizabeth ihre Hand ängstlich umklammerte. Sie selbst hatte plötzlich auch Angst. Denn es war niemand da, und irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht …
    Dann atmete das Kind erschrocken ein und griff nach ihrem Ärmel. „Madam …“
    Anne hatte es auch schon gesehen. Der Haufen Lumpen in der Ecke, der beinahe unkenntlich war, bis auf das Wappen auf dem Ärmel.
    Es war der Bote des Königs. Neben ihm lag Meg, Elizabeths Kindermädchen. Sie sah aus, als würde sie friedlich schlafen.
    Doch beide waren tot.
    Elizabeth schrie auf und stolperte rückwärts aus der Tür. Ihre Augen waren riesig und dunkel in ihrem bleichen Gesicht. Ein Schatten fiel über die Sonnenstrahlen in der Lichtung.
    „Ganz ruhig, meine Kleine.“ Gerard Malvoisiers Arme schlossen sich um Elizabeth. „Du bist jetzt in Sicherheit. Ich bin hier, um dich zu deinem Vater zu bringen.“
    Anne erstarrte. Sie konnte Malvoisiers Augen in Triumph aufleuchten sehen. Entsetzt sah sie ihn an. Vor ihr stand der flüchtige General, der Grafton in der Nacht vor der Schlacht verlassen und versucht hatte, Henry Greville zu foltern, und der fünf von Simons Männern getötet hatte. Der Mann, der das Dorf Grafton in Brand gesteckt und barbarische Qual über ihre Leute gebracht hatte. Der Mann, der ihren Tod wollte … Und nun benutzte er die

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