Geliebte Gefangene
Und danach wachte sie für eine sehr lange Zeit nicht wieder auf.
Als sie sich das nächste Mal rührte, brannte ein helles Feuer im Kamin, und Edwina saß neben ihr am Bett und nähte. Anne lag einen langen Moment nur da und sah ihr zu. Sie fühlte sich ein wenig benommen, als würde sie noch immer träumen. Die Dienerin sah älter aus. Ihr Gesicht schien schmaler, und ihr ernster Gesichtsausdruck war Anne fremd. Sie bewegte sich, und Edwina zuckte erschreckt zusammen. Dann leuchtete Freude in ihren müden blauen Augen auf.
„Madam!“
„Ich …“ Annes Lippen fühlten sich trocken an, und die Worte, die ihre Zunge formen wollte, waren seltsam unvertraut. Sie räusperte sich. „Wie geht es dir, Edwina?“
„Es geht mir gut, Madam. Ich bin so glücklich …“ Die Dienerin schniefte und wischte sich mit dem Schürzenzipfel einige Tränen aus den Augen. „So glücklich, Euch endlich wieder sprechen zu hören, Madam … Wir dachten, dass Ihr niemals wieder aufwachen würdet! Hier, nehmt einen Schluck Wasser …“
Anne kämpfte sich hoch und nahm ein paar Schlucke, aber sie war schwach wie ein Kätzchen und fiel in die Kissen zurück. „Ich habe Hunger.“
Edwina nickte. „Ich werde sofort in die Küche nach etwas Brühe schicken …“
„Warte.“ Anne hob ein wenig die Hand, um sie zurückzuhalten. Sie hatte das strahlende Sonnenlicht bemerkt, das durch einen Spalt in den Vorhängen schien, und den großen Strauß Blumen, der in einem Krug am Bett stand. Das waren keine Frühlingsblumen – Glockenblumen oder Buschwindröschen –, und das Licht war ganz bestimmt der helle Schein eines Sommertages. „Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte sie langsam.
„Fast acht Wochen, Madam.“ In Edwinas Augen schimmerten noch immer die Tränen. „Es ist Juli, Mylady.“
„Juli“, sagte Anne verwundert.
„Ja, Mylady.“
„Und Lord Greville – wo ist er?“ Anne war schwach, aber nicht so müde, dass sie nicht das Flackern in Edwinas Augen bemerkte. War es Angst oder Trauer? Eine plötzliche Furcht ergriff sie. „Er ist nicht … Gerard Malvoisier hat ihn nicht getö tet, oder? “
„Nein, Mylady.“ Edwina sah ob der Frage erschüttert aus. „Es ist Gerard Malvoisier, der tot ist. Aber …“ Sie spreizte die Hände in einer hilflosen Geste. „Lord Greville musste uns verlassen, Madam. Er ist in den Kampf gezogen. Es gab eine große Schlacht in Naseby in Northamptonshire. Der König wurde geschlagen und ist nach Wales geflohen. Seine Armee wurde vernichtet, Mylady. Sie sagen, dass er nicht mehr weiterkämpfen kann.“
Anne runzelte die Stirn und versuchte all das, was ihr die Dienerin sagte, zu verstehen. Ihr Kopf fühlte sich schwer an, und sie war verwirrt. Vage erinnerte sie sich, dass Simon seine Befehle an demselben Tag erhalten hatte, als sie die Nachricht erreichte, die Prinzessin zum Boten des Königs zu bringen. All das schien jetzt so eine lange Zeit her zu sein.
„Prinzessin Elizabeth …“, begann sie und war erleichtert, als Edwina sofort nickte.
„In Sicherheit, Madam. Lord Greville hat sie zurück zum König nach Oxford geschickt, bevor der ganze Ärger losging.“
Erleichterung erfüllte Anne. „Oh, Gott sei Dank“, flüsterte sie. „Aber Mylord … Ist er auch in Sicherheit?“
Edwina sah unbehaglich aus. „Ja, Madam, er ist in Sicherheit.“
Fest umklammerte Anne ihre Hand. „Hat er Nachricht geschickt?“
Es herrschte eine seltsame Stille. „Nein, Madam“, sagte Edwina schließlich und wich ihrem Blick aus. Sie lehnte sich vor, um die Laken glatt zu streichen. „Lord Greville hat keine Nachricht geschickt, aber sein Vater, der Earl, hat uns geschrieben, um uns mitzuteilen, dass er überlebt hat und dass es ihm gut geht. Genauso Sir Henry. Er hat im Westen gekämpft, aber keiner von beiden ist verletzt worden.“
Eine eisige Kälte schien sich in der Kammer auszubreiten und erfasste Anne bis ins Innerste. „Und doch hat Mylord selbst mir keine Nachricht geschickt“, wiederholte sie matt.
Edwina biss sich auf die Lippen. Sie sah so aus, als würde sie gleich wieder in Tränen ausbrechen. „Er war so böse, Madam, wegen der Prinzessin …“
Anne nickte. „Ich verstehe“, sagte sie müde. „Oh, ich verstehe nur allzu gut.“
„Er hat eine Woche lang Tag und Nacht an Eurem Bett gesessen, Madam“, fuhr Edwina schnell fort. „Er hat nicht gegessen, und er hat nicht gesprochen. Ich glaube, dass er etwas für Euch empfindet, aber …“
„Aber er kann
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