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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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es sich für uns ziemen“, sagte sie und gab sich alle Mühe, die erregende Erinnerung zu verdängen. Der Teufel sollte ihn holen, weil er ihre Gedanken in eine solche Richtung lenkte! „Ich werde zu Fuß gehen, vielen Dank.“
    „Aber ich hatte nicht die Absicht, mit dir zusammen zu reiten“, entgegnete er und hatte sie jetzt eingeholt. Den großen schwarzen Wallach führte er am Zügel. „Du kannst Thunder für dich allein haben, und ich werde gehen.“
    Sie errötete schuldbewusst und fragte sich, ob auch er sich noch an ihre mutwilligen Sommermorgen erinnerte, oder ob sie nur in ihren sündhaften Gedanken herumspukten.
    „Ich wollte damit sagen, dass es kein Damensattel ist, und außerdem möchte ich Ihnen nicht Ihr Pferd nehmen“, meinte sie und beschleunigte ihre Schritte, obwohl sie wusste, dass es hoffnungslos war, schneller gehen zu wollen als er. „Sie reiten, und ich gehe weiterhin zu Fuß.“
    „Dann werde ich ebenfalls gehen“, erklärte er und passte sich mühelos ihrem Tempo an, so wie er es früher schon getan hatte. Auch wenn er keinen Versuch machte, wieder ihre Hand zu ergreifen oder sie zu berühren, war sie sich seiner Nähe so sehr bewusst, dass es beinahe wehtat.
    „Zumindest würde ich es gerne tun“, fuhr er fort. „Außer, du hättest etwas dagegen, die Straße mit einem anderen Reisenden zu teilen. Doch unter diesem Mond ist ein Spaziergang für alte Freunde wie uns doch sehr kurzweilig, findest du nicht?“
    Abrupt blieb sie stehen, sodass auch er anhalten musste. „Es wird nicht wieder so sein wie früher, Harry“, sagte sie mit Nachdruck.„Du kannst dir diese Vorstellung aus dem Kopf schlagen. Was einmal in unserer Jugend war, ist längst zu Ende und vorbei und wird nie wieder so sein.“
    Langsam erschien auf seinem vom Mondlicht beschienenen Gesicht ein Lächeln, das all seinen Charme in sich trug, den sie von früher kannte. Sophie hätte am liebsten schreiend dagegen protestiert und gleichzeitig wie ein glückliches Kätzchen ob seiner Wärme geschnurrt.
    „Ach, Sophie“, sagte er zärtlich. „Natürlich wird es nicht so wie früher sein. Es wird besser sein. Viel besser , meiner Meinung nach. Aber niemals das Gleiche, niemals das Gleiche.“
    „Oh, verflixt und zugenäht“, murmelte sie abwehrend, und mit dem letzten Rest Entschlossenheit, der ihr geblieben war, wandte sie sich ab und ging weiter.

4. KAPITEL
    „Da ist der Gasthof“, sagte Harry und deutete auf ein niedriges, lang gestrecktes Gebäude mit sechs Kaminen, das dort stand, wo die Straße eine Biegung machte. Wie ein unwillkommener Geist war er neben ihr hergegangen; jetzt konnte er wenigstens zu etwas nütze sein und sie auf das Wahrzeichen der Gegend aufmerksam machen.
    „ Der Pfau . Bekannt für seine Schildkrötensuppe, seinen Tamarinden-Punsch und einen blinden Geiger namens Orlando, der jedes Lied kennt, das jemals geschrieben wurde.“
    Sophie blieb einen Moment stehen und betrachtete nachdenklich den Gasthof. „Du kennst dieses Haus also?“
    „Ich habe dort schon gespeist, ja“, war alles, was er zugab. Die Wahrheit war, dass Der Pfau früher im Frühling und Sommer sein bevorzugter Platz gewesen war. Man hatte Tische und Bänke nach draußen unter die Bäume und ans Ufer des Flusses gebracht, der hinter dem Haus floss, und bis tief in die Nacht hatte der Geiger unter dem Sternenhimmel für die Tänzer aufgespielt. Das Gasthaus lag nahe genug bei London, dass Harry eine Dame dorthin zum Abendessen einladen konnte, aber doch weit genug entfernt, um die Fahrt für die Dame wie ein Abenteuer erscheinen zu lassen. Und auch weit genug, um einen Grund zu haben, nach dem gelungenen Abendessen dort ein Zimmer für die Nacht zu nehmen.
    Von alledem musste Sophie ja nichts erfahren.
    Harry beobachtete, wie sie den Straßenstaub vom Rocksaum klopfte, bevor sie weiterging. Er konnte sich nicht erinnern, dass sie sich je so übertrieben um ihre Erscheinung gesorgt hatte oder so entschlossen gewesen war, zu tun, was Sitte und Schicklichkeit verlangten. Vielleicht rührte es daher, dass sie jetzt eine Gouvernante war. Doch um ihrer selbst willen hätte er sie lieber so wie früher gelassen und entspannt gesehen, und weniger besorgt wegen des Urteils anderer. Mit anderen Worten, er wünschte sich die alte Sophie zurück – die Sophie, und da war er sich sicher, die irgendwie immer noch in der Frau lebte, die neben ihm ging und sich gerade zum vielleicht hundertsten Mal an diesem Abend die Schleife

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