Geliebte Gefangene
Harry. Er nahm sie in die Arme, um sie wieder aufs Bett zu legen. „Es ist ungeheuer klug von ihm zu erkennen, dass wir beide zusammengehören. Ich liebe Sie so sehr, Miss Potts.“
Sie ließ ein kehliges Lachen hören und brachte es fertig, fröhlich verführerisch zu klingen oder vielleicht auch verführerisch fröhlich. Er wusste es nicht, und es war ihm auch gleich, denn er wollte den Rest der Nacht damit verbringen, alle ihre verschiedenen Nuancen zu erkunden.
„Ich liebe Sie, Mylord“, flüsterte sie. „Ich liebe dich.“
Und wirklich, was konnte er mehr verlangen?
Sophie erwachte und reckte träge die Arme über den Kopf. Sie wusste nicht genau, wie lange sie geschlafen hatte, doch das silbrige Licht im Zimmer kam immer noch vom Mond und nicht von der Sonne, und das Feuer im Kamin war zu glühender Asche heruntergebrannt. Konnte es immer noch dieselbe Nacht sein? Liebevoll lächelte sie Harry an, der neben ihr schlief, dann kuschelte sie sich wieder an ihn und schloss die Augen.
Doch plötzlich klang ein Geräusch von unten herauf, ein Plumpsen und ein leises Klirren, und mit einem Mal war Sophie hellwach. Sie lag so still wie sie konnte und spitzte die Ohren, um außer Harrys friedlichem Atmen etwas hören zu können. Er hatte ihr doch versprochen, diese kleine Hütte sei so sicher wie jede Festung. Auch wenn sie sich daran erinnern konnte, dass er die Tür mit dem Schlüssel aus dem Maul des Drachen aufgeschlossen hatte, waren sie beide doch zu sehr miteinander beschäftigt gewesen, als dass sie sich darum gekümmert hätten, die Tür hinter ihnen auch wieder zuzuschließen. Leichtsinnig, leichtsinnig, leichtsinnig!
Jetzt war sie überzeugt, Stimmen zu hören. Die eines Mannes, der ärgerlich fluchte, und die eines anderen, der ihn zu beruhigen versuchte. Wer immer sie sein mögen, dachte Sophie empört, sie haben kein Recht, hier aufzutauchen und die wunderbare Nacht mit Harry zu stören.
Leise kroch sie aus dem Bett. Als sie ihr Hemd vom Boden aufhob, bewegte sie sich ganz langsam, um Harry nicht zu wecken. Seine Pistolen lagen immer noch dort, wo er sie hingelegt hatte, auf der Truhe am Fußende des Bettes. Vorsichtig hielt sie eine ins Mondlicht, um sicherzugehen, dass sie noch geladen war.
„Sophie, Liebes“, brummte Harry schlaftrunken, „was, zum Teufel, machst du da mit der Pistole?“
„Nichts“, flüsterte sie mit sanfter Stimme und ließ die Pistole rasch in den Falten ihres Hemdes verschwinden. Er hatte heute Nacht schon einmal ihretwillen dem Gewehrfeuer die Stirn geboten. Jetzt war es an ihr, ihn zu retten.
„Von wegen ‚nichts‘“, sagte er, schwang die Beine über die Bettkante und griff nach seiner Hose. „Dein ‚nichts‘ hat immer etwas zu bedeuten, und ich … was war das?“
„Sei doch still jetzt! Sie werden dich noch hören, wer immer sie auch sein mögen“, flüsterte sie scharf. Die Männer unten hörten sich an, als würden sie trinken, fluchen und streitsüchtig einander anknurren. „Aber ich werde ihnen schon Beine machen.“
„Nein, das wirst du nicht“, widersprach er und nahm ihr geschickt die Pistole fort. „Das hier ist mein Haus, und ich werde mich ihrer annehmen. Du wartest hier. Und verhalte dich um Himmels willen still.“
In trotziger Ergebenheit verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Genau wie unter der Brücke. Wieder einmal darf ich nichts tun. “
„Nicht ganz genau, denn jetzt kann ich dir sagen, dass ich dich liebe“, meinte er und gab ihr rasch einen Kuss.
„Ich liebe dich auch“, gestand sie widerstrebend. „Und sei vorsichtig, Harry. Wenigstens hast du Nolly auf deiner Seite.“
Er grinste und begann, die Treppe hinabzusteigen. Sofort huschte Sophie umher, um einzusammeln, was sie brauchte: Harrys Reitstiefel und den schwarzen Straßenräuberumhang, wie auch den zerbeulten alten Helm der Rüstung. Sollte er doch ruhig seine alte Pistole behalten. Sie würde eben einen anderen Weg finden, um die Eindringlinge zu überlisten.
Harry gähnte und ging weiter langsam die Treppe hinunter in Richtung Stimmen. Wahrscheinlich waren die Eindringlinge Burschen aus der Gegend, die einen Platz für ein Trinkgelage suchten. Das nächste Mal würde er sichergehen, dass er die Tür versperrte, damit er ungestört bei Sophie im Bett bleiben konnte. Dort, wo sie beide hingehörten und wohin er so schnell wie möglich zurückkehren wollte. Er erreichte die letzte Biegung der Treppe und blieb nur so lange stehen, wie er brauchte, um
Weitere Kostenlose Bücher