Geliebte Gefangene
und lachte. Es war ein seltsam gequältes Lachen, das so gar nicht nach Harry klang. „Herrje, jetzt habe ich unser Abendessen im Stall bei den Pferden vergessen.“
„Was soll’s?“ Sie ging auf ihn zu. Das Mondlicht, das durch die bleigefassten Butzenscheiben fiel, zeichnete ein wirres Muster aus Schatten und Licht auf den kahlen Boden. „Ich habe es auch vergessen.“
Er streckte ihr die Arme entgegen und strich ihr mit den Fingern über das zerzauste Haar. „Du lässt mich alles vergessen, Sophie.“
Lächelnd blinzelte sie die Tränen fort. Sie hatte doch gar keinen Grund zu weinen. „Du lässt mich alles vergessen und bringst mir doch auch die Erinnerung zurück, Harry.“
„Dann lass uns doch gemeinsam vergessen und uns erinnern, Sophie“, sagte er mit einer Stimme, die rau klang vor Verlangen und Ungewissheit. „Doch zuerst musst du den Kopf des armen, alten Nolly wieder hergeben.“
Sophie hätte gerne gelacht, nicht nur, weil er so albern daherredete, sondern auch, um die Stimmung zwischen ihnen, die mit einem Mal todernst geworden war, wieder aufzuheitern. Sie wollte lachen oder an etwas Lustigeres denken, doch sie konnte nicht. Nicht jetzt. Stattdessen überließ sie ihm den Helm und hoffte, dass er die Flecken nicht bemerkte, die ihre vor Aufregung feuchten Hände auf dem Metall hinterlassen hatten. Schnell verschränkte sie die Hände, als wollte sie sie daran hindern, noch mehr anzurichten.
„Was ist, Miss Potts?“, sagte er leise, während er ihre Taille umfasste. „Sie fühlen sich ja an, als wären Sie aus Holz?“
Auch als er sie jetzt enger an sich zog, ließ Sophie immer noch die Hände ineinander verschränkt. „Ich weiß, du hältst mich für die tapferste Frau, die dir je begegnet ist“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Aber im Augenblick fühle ich mich wie das feigste weibliche Wesen der ganzen Schöpfung!“
Er fasste ihr unters Kinn und hob ihr Gesicht empor, sodass sie ihn ansehen musste. Wie liebte sie diese fein gefächerten Linien an seinen Augenwinkeln, die sie erkennen konnte, wenn sein Gesicht dem ihren so nah war wie jetzt. Die jungenhaften Sommersprossen auf seiner Nase – sie waren zwar schwächer als früher, aber immer noch da.
„Mein Gott, Sophie“, sagte er mit rauer Stimme. „Warum solltest du denn Angst vor mir haben, deinem alten Harry? Wir kennen einander seit einer Ewigkeit.“
„Das weiß ich doch.“ Endlich zwang sie sich zu einem Lächeln, obwohl dieses zittrige, schwache kleine Lächeln auch nicht der Bruchteil dessen war, was Harry eigentlich verdiente. „Aber genau deswegen verhalte ich mich jetzt so. Weil d u es bist, möchte ich, dass in … in dieser Nacht alles gut und richtig ist.“
„Meine liebe, süße Sophie“, murmelte er. Zärtlich löste er ihre ineinander verschränkten Hände und legte sie sich auf die Brust. Unwillkürlich spreizte sie die Finger, um durch das dünne, feine Hemd noch besser seine Wärme spüren zu können. „Komm, fühl nur, wie rasch mein eigenes dummes Herz schlägt. Fühlst du dich nicht gleich besser, wenn du weißt, dass wir bei de in der gleichen bedauernswerten Lage sind?“
„Wenn ich mich besser fühle, dann nur deinetwegen, Harry“, erwiderte sie mit dunkler Stimme und bog sich ein wenig zurück, um ihn zu küssen. Sie hatte genug vom Reden, denn es führte nur dazu, dass sie sich nach etwas sehnte, was sie nicht haben konnte. Besser, viel besser war es, das, was ihr heute Nacht gehörte, festzuhalten und zu genießen und keine Zeit mehr mit Bedauern zu verschwenden.
Harry nahm sofort an, was sie ihm darbot. Hungrig küsste er sie, umfasste ihre Taille fester und zog ihre Hüfte eng an sich, wie ein viel verheißendes Versprechen auf kommende Freuden. Nie würde Sophie genug von seinen Berührungen oder seinen Küssen haben oder von der Art, wie die Glut seiner Lippen ihre eigene Glut nährte. Die rauen Bartstoppeln erinnerten sie daran, wie weit die Nacht bereits fortgeschritten war, und mit erneuter Ungeduld strich sie mit der Hand über seine Brust, suchte wie blind nach dem Knoten seiner Halsbinde.
Zuerst fingerte sie daran herum, dann löste sie den verwirrenden Knoten. Schwungvoll nahm sie ihm das Halstuch ab und streifte dabei das Leinen wie eine zärtliche Berührung über seine Wange. Schließlich öffnete sie die beiden Kragenknöpfe und ließ ihre Lippen von seinem Mund über den Hals hinunter zu der salzig schmeckenden Mulde unterhalb seiner Kehle wandern. Sie
Weitere Kostenlose Bücher