Geliebte Gefangene
seufzte. „Aber ich werde ihr Grafton nicht zurückgeben. Selbst wenn ich es wollte, würden Cromwell und Fairfax niemals zustimmen.“
Unglücklich sah Henry ihn an. „Bist du dir da sicher?“
Simon nickte. „Grafton ist ein zu wertvoller Preis und strategisch zu wichtig. Nun, da es an die Parlamentarier gefallen ist, werden sie es kaum den Royalisten zum Geschenk machen wollen.“
Fragend runzelte Henry die Stirn. „Und Lady Anne? Sie soll also enteignet werden, und dann bleibt ihr … ja, was denn?“
Simon bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl. „Ich werde Lady Anne heiraten. Ich habe vor, das Gut für die Sache der Parlamentarier zu behalten und die Lady – für mich selbst.“
Henry gab ein ersticktes Geräusch von sich, das einem ungläubigen Lachen glich. „Weil du dich schuldig fühlst, ihr das Erbe zu nehmen?“
Entschieden schüttelte Simon den Kopf. „Grafton ist mir schon einmal versprochen worden. Ich habe damals kein Geheimnis aus der Tatsache gemacht, dass ich Lady Anne heiraten wollte.“ Er machte eine kleine Pause. „Ich will sie in meinem Bett haben. Wenn ich sie heirate, wird mein Wunsch erfüllt.“
Müde legte er den Kopf gegen die hölzerne Rückenlehne des Stuhls und schloss die Augen. Er wollte schlafen, aber seit Kurzem geisterte statt Bildern von Kampf und Metzelei Anne Grafton durch seine Träume. Seit dem Abend, an dem sie in sein Quartier gekommen war, hatte er nicht aufgehört, an sie zu denken. Er konnte nicht anders. Sein Verlangen nach ihr war so groß, dass er sich ruhelos auf seinem Lager hin und her wälzte. Er wollte sie, und er würde sie sich nehmen.
Die Stille hing schwer zwischen ihnen, gefüllt mit unausgesprochenen Gedanken. Dann bewegte sich Henry ein wenig. „Du weißt, dass Lady Anne dich niemals akzeptieren wird. Früher war es anders. Jetzt hält sie an ihrer Loyalität für den König fest. Sie wird ihren Treueschwur niemals durch die Heirat mit einem Parlamentarier aufs Spiel setzen.“
„Ich weiß.“ Eine Erinnerung brachte ein leichtes Lächeln auf Simons Lippen. „Eher wird die Hölle zufrieren, als dass sie meine Übernahme von Grafton legitimiert, indem sie einer Ehe zwischen uns zustimmt“, zitierte er trocken. Sein Lächeln verschwand. „Trotzdem – sie wird mein sein.“
„Wirst du eine Heirat erzwingen, wenn sie nicht einwilligt?“
Es folgte eine lange Pause. Simon scharrte mit seinen staubigen Stiefeln über den Holzfußboden. Würde er Anne zwingen, ihn zu heiraten? Er war kein Mann, der je eine Frau zu etwas zwingen würde, das sie ihm nicht freiwillig und gerne gäbe. Aber Anne Grafton raubte ihm den Verstand. Er war daran gewöhnt, seine Entscheidungen mit seinem Intellekt und nicht mit Gefühlen zu fällen. Durch Anne hatte sich all das verändert.
„Ja“, sagte er sanft. „Das würde ich.“
Die Wache vor Annes Tür gähnte, ging aber sofort in Habachtstellung, als sie ihren Befehlshaber kommen sah. Simon gestand dem Mann zehn Minuten in der Wachkammer zu. Ein schmaler Streifen Licht drang unter der Tür hindurch, und man hörte, dass im Raum gesprochen wurde. Simon hob die Hand und klopfte leise an die Tür.
Edwina öffnete, und ihre Augenbrauen schossen in die Höhe, als sie sah, wer vor ihr stand. „Mylord!“, sagte sie bestürzt. „Lady Anne ist dabei, sich zur Ruhe zu begeben. Hat Euer Anliegen nicht bis morgen Zeit?“
„Ich werde Eure Herrin nicht lange aufhalten“, erwiderte Simon und schob die Tür weiter auf. „Mit Eurer Erlaubnis.“
Die Dienerin warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Aber sie trat hinaus in den Korridor, faltete ihre Arme vor der Brust und setzte sich auf die Holzbank vor der Tür, als habe sie vor, dort für die Dauer des Krieges sitzen zu bleiben. Simon lächelte ihr zu und erhielt einen finsteren Blick als Antwort. Er trat in das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
Anne saß mit einem Buch im Schoß auf einem Stuhl, erhob sich aber sofort und legte es beiseite, als er eintrat. Sie trug keine Haube, und ihr mitternachtsschwarzes Haar schimmerte im Schein der Kerzen, dunkler als das Trauerkleid, das sie trug. Simon fühlte das unbändige Verlangen, es anzufassen, es zu lösen und sein Gesicht in den seidigen Strähnen zu vergraben. Erinnerungen überkamen ihn. Er hatte Anne in seinen Armen gehalten, sie geküsst, sie beinahe genommen. Er fühlte, wie sich sein Körper in Erinnerung seiner Leidenschaft spannte.
„Guten Abend, Mylord.“ Annes kühle Begrüßung
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